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Am Abend des 24. Februar veranstalteten die Ostallgäuer Grünen eine Online-Diskussionsrunde mit Martin Stümpfig, dem energiepolitischen Sprecher der grünen Landtagsfraktion, zum Thema Windkraft im Allgäu, die vom Angriff Putins auf die Ukraine überschattet wurde. Die Dringlichkeit des Themas und die Frage nach der Energieversorgung machten die Ereignisse desto dringlicher.
Aktuell wird ein Viertel des bayerischen Stromverbrauchs importiert – Tendenz steigend auf ein Drittel. Davon wird ein Großteil mit Gaskraft erzeugt, der durch günstigere Windkraft 1:1 ersetzt werden könnte. „Jedes Windrad in Bayern reduziert den Strompreis und reduziert die Abhängigkeit“, erklärte Stümpfig bereits am Tag zuvor in seiner Rede zum (von den Regierungsfraktionen abgelehnten) Eilantrag, dass zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie ausgewiesen werden sollen.
Im gut besuchten Online-Meeting des Grünen-Kreisverbands Ostallgäu rechnete Stümpfig vor, wie eine solche Flächenplanung langfristig zur Sicherung der Energieversorgung beitragen würde und wie groß das bisher ungenutzte Potential der Windkraft ist. Pro Landkreis wären demnach knapp 25 neu gebaute Windräder bis 2030 vorgesehen, die in Kombination mit anderen erneuerbaren Energiequellen den Energiebedarf weitestgehend decken würden. Während die Potentiale der Wasserkraft bereits ausgeschöpft sind und im Bereich der Solarenergie sich viel bewegt, ging der Windkraftausbau in Bayern in den letzten Jahren kaum noch voran – bis zum kompletten Nullpunkt in 2021. Dabei sei die Windkraft die günstigste und flächeneffizienteste Form der Energiegewinnung, wie Stümpfig erklärte.
Windkraft am Nullpunkt wegen 10H-Hemmnis
Im vergangenen Jahr wurde keine einzige Genehmigung in ganz Bayern beantragt – eine Folge der 10H-Regel, mit der die CSU-geführte Staatsregierung den Bau von Windrädern de facto verhindert, und für deren Abschaffung unsere Landtagsfraktion und Martin Stümpfig als ihr energie- und klimapolitischer Sprecher beharrliche Oppositionsarbeit betreibt.
„10H wird in die Geschichte eingehen als Zeichen einer verbohrten Politik, als Preistreiber, als Klimatreiber und als Treiber in die Abhängigkeit von autoritären Staaten.“
Von ihren Befürwortern in den Regierungsparteien wird die 10H-Regel, nach der die zehnfache Höhe eines Windrades der Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung sein soll, als Garant der Bürgerbeteiligung verteidigt. Doch seit ihrer Einführung bemühten sich weder die Kommunen, die durch eigene Beschlüsse die Abstandsregel aushebeln könnten, noch die regionalen Planungsverbände, die eine wichtige Rolle in der Abwägung der Standortfragen spielen könnten, überhaupt noch darum die Frage anzugehen, wo neue Windräder gebaut werden könnten. Im Allgäu wurde vor rund 10 Jahren immerhin schon mit den Planungen begonnen, worauf man nun auch wieder aufbauen kann – wenn man nicht in der Blockadehaltung der Staatsregierung verharrt. Auch für die Allgäuer Bäuerinnen und Bauern bietet die Energiewende gute Perspektiven, denn die Windkraft ist grundsätzlich mit landwirtschaftlicher Flächennutzung kompatibel.
Hohe Hürden für Windkraft – wer sorgt für Planungssicherheit?
Einige Details der notwendigen und kostspieligen Vorplanungen für Windkraftprojekte erörterte der Jurist und Windkraft-Fachplaner Bernd Wohlfarth (Modwind), der sich für eine deutliche Vereinfachung und Verkürzung der Antrags- und Genehmigungsverfahren aussprach und insbesondere die Forderung unterstrich, die 10H-Regel abzuschaffen.
Wie riskant es ist, unter den aktuellen Rahmenbedingungen ein Genehmigungsverfahren zu starten, verdeutlichte Christian Vavra, Stadtrat und Umweltbeauftragter in Marktoberdorf. Er fordert mindestens drei Windräder auf Marktoberdorfer Flur, die den Energiebedarf bereits decken und dabei sogar nur rund ein Prozent der Fläche ausmachen würden. Vavra zufolge fehlt für neue Bemühungen vor allem die notwendige Planungssicherheit. Die Stadt habe in der Vergangenheit viel Geld in die Vorbereitungen von Windkraftanlagen gesteckt, die letztlich an Rotmilan und 10H scheiterten.
Windräder keine Gefahr für den Rotmilan
Befürchtungen über die Gefahr der Rotorenblätter für Vogelpopulationen haben sich nicht bestätigt. Die dabei besonders beachteten Rotmilanpopulationen – rund die Hälfte aller Rotmilane weltweit brüten in Deutschland und um die Jahrtausendwende war die Vogelart gefährdet – vergrößerten sich sogar nahezu parallel zum Windkraftausbau. Wie frontal im ZDF berichtete, zeigt eine EU-Forschung deutlich, dass von der Windkraft keine Bedrohung für den europäischen Greifvogel ausgeht. Eine Erkenntnis, die auch Stümpfig aus eigenen Erfahrungen mit Windkraftprojekten in seinem Heimatlandkreis Feuchtwangen (Mittelfranken) bestätigen kann.
Der Windkraft Vorrang gegenüber dem Naturschutz einzuräumen und damit die oftmals aufwendigen und teuren Artenschutzauflagen für Windradgenehmigungen ganz abzuschaffen – wie BWE-Bezirksvorstand Wendelin Einsiedler als Forderung zur Diskussion stellte – könne man dennoch nicht, sagte Stümpfig. Die Grünen stehen zu diesen Fragestellungen im engen Austausch mit den Naturschutzverbänden. Auch der Landesbund für Vogelschutz spricht sich mittlerweile deutlich für Windkraft aus. So erklärte der LBV-Vorsitzende im BR: „Langfristig ist der Klimawandel die größte Bedrohung für unsere Artenvielfalt. Von daher müssen wir für die Energiewende sein und ohne die Windkraft ist die Energiewende nicht machbar.“ Insbesondere bei Standorten im Wald müsse und könne man Kompromisse finden, erklärte Stümpfig.
Wind hat sich gedreht – jetzt muss es schneller gehen
Der Regierungswechsel im Bund und Robert Habeck als Wirtschaftsminister geben der Windkraft in Deutschland deutlichen Rückenwind. Die Klimakrise und die jetzt schon deutlichen Auswirkungen des Putin-Kriegs auf die Energieversorgungslage machen es dringend notwendig, die Energiewende und den Winkraftausbau schneller voranzutreiben.
Zum Abschluss des Online-Gesprächs, in dem zahlreiche Kommunalpolitiker aus dem gesamten Allgäu teilnahmen, erklärte Martin Stümpfig, dass auch in Bayern der Wind sich nun dreht. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie den anderen Parteien wollen die Grünen in Bayern und auch im Allgäu die Energiewende voran treiben und mit einem verstärkten Windkraftausbau vor Ort die Energieerzeugung selbst in die Hand nehmen, statt weiterhin so viel auf Importe zu setzen. Sowohl für die kommunalen Haushalte als auch für Privathaushalte (bei entsprechender Bürgerbeteiligung) sind Windkraftanlagen auch in finanzieller Hinsicht lukrativ – und zwar umso mehr, je teurer Gas und andere Energiequellen werden.
Geschrieben von: Redaktion