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Am letzten Donnerstag, den 12.05., hat es im Unter- und Ostallgäu wieder eine große Welle an sogenannten Schockanrufen gegeben. Glücklicherweise, waren die Täter dieses Mal, zumindest unter den der Polizei bekannten Fällen, nicht erfolgreich. Zur Aufklärung und Prävention hat das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West heute eine Pressekonferenz einberufen, bei der unter anderem auch die Betroffene Elke B. von ihrem Erlebten berichtet hat. Begleitet wurde das von der Expertise des Psychologen Frank Lohmann und der für Prävention und Opferbetreuung verantwortlichen Polizistin Tanja Molocher.
Laut dem Polizeipräsidium Schwaben Süd/West steigen die Zahlen der Betrugsfälle und des erbeuteten Geldes von Jahr zu Jahr immer weiter an. Während im letzten Jahr insgesamt 899.712 Euro im Kreis Schwaben Süd/West erbeutet wurden, spricht die Polizei in diesem Jahr bereits von einer Zahl um die 640.000 Euro, man rechne also mit einer neuen Rekordzahl. Dabei handele es sich allerdings nur um die der Polizei bekannten Fälle. Die Polizei gehe davon aus, dass die Dunkelziffer wesentlich höher sei.
Die Betrüger versuchen mit verschiedenen Betrugsmaschen an das Geld ihrer Opfer zu gelangen, etwa über den altbekannten Enkeltrick, angeblichen Einbrüche in der Nachbarschaft oder einen vermeintlichen Geldgewinn.
Die 60-jährige Elke B. aus der Umgebung Mindelheims musste am Donnerstag die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt Opfer eines sogenannten Schockanrufes zu werden. Sie berichtete, wie am Donnerstag das Festnetztelefon ihres Mitbewohners mit einer unterdrückten Rufnummer geklingelt habe und sie beim Abheben die panische Stimme ihrer Tochter vernommen habe. "Mama, Mama, ich brauch deine Hilfe. Es ist etwas ganz Schreckliches passiert!" Daraufhin wurde der Telefonhörer weitergegeben und ein angeblicher Polizist habe mit ihr gesprochen. Ihre Tochter habe angeblich einen Autounfall gehabt, bei dem eine Person ums Leben gekommen sei und nun müsse sie ins Gefängnis. Das Ganze könne durch eine sofortige Zahlung einer Kaution von 20.000 Euro abgewendet werden. Er habe außerdem nach ihren Personalien sowie die ihrer Tochter gefragt, inklusive Adresse und Geburtsort.
Elke B., überzeugt ihre Tochter gehört zu haben, habe daraufhin alles versucht, um ihr zu helfen und das benötigte Geld zu organisieren. Die Bankmitarbeiter hätten jedoch bei der genannten Summe in Bar und dem fehlenden Grund schnell Verdacht geschöpft, besonnen reagiert und das gewünschte Geld nicht ausgezahlt. Während der Zeit auf dem Weg zur und in der Bank habe Elke B. einen Anruf mit den Betrügern laufen lassen und ihr Handy in der Handtasche verstecken müssen.
Nachdem sie die Entwicklung den Betrügern mitgeteilt habe, dass sie das Geld nicht bekäme, habe sie die Anweisung erhalten nach Hause zu fahren und auf den Anruf eines angeblichen Staatsanwaltes zu warten.
Langsam hat auch Elke B. an der Situation gezweifelt, hat jedoch zusätzlich auch noch den Gedanken entwickelt, dass die Tochter eventuell sogar entführt worden sein könnte. Aus Angst, dass die Täter sie hören könnten, habe sie ein Telefon von den Nachbarn organisiert und ihren Exmann und Vater der gemeinsamen Tochter angerufen. Erst der Rückruf von diesem und die Versicherung, dass es der Tochter gut gehe, habe sie endlich aus ihrem "Film", wie sie es nannte, gerissen. "Danach bin ich einfach zusammengebrochen."
Die Filialleitung der Bank habe in der Zeit die Polizei verständigt, die dann auch schnell bei Elke B. vorbeigekommen sei und den Tatbestand aufgenommen hat. Daraufhin habe die Geschädigte den Entschluss gefasst, bei der Prävention mit helfen zu wollen und ihren Fall vor der Presse dar zu legen.
Frank Lohmann hat den Fall von Elke B. erläutert, wie hochprofessionell die Betrüger vorgehen würden. Er nannte vier Faktoren, die ausschlaggebend seien: "Sie schaffen es innerhalb von Sekunden eine persönliche Relevanz herzustellen. Es ging um die Tochter unserer Betroffenen. Dann schaffen sie es in Sekunden eine hohe emotionale Beteiligung her zu stellen. Sie lösen einen ganz großen Handlungsdruck aus, da ist Not am Mann, wir müssen jetzt etwas tun. Und vor allem Zeitdruck. Wir müssen jetzt ganz schnell etwas tun, sonst passiert etwas Schlimmes." In einer solchen erzeugten Stresssituation würden laut Lohmann feste Prozesse ablaufen. Es gebe kein kritisches Denken mehr, keine Reflexion oder Abwägen. Alles sei in solchen Momenten auf schnelles Handeln ausgelegt. Es brauche wen von außen, wie z.B. einen Bankmitarbeiter oder in dem Fall von Elke B. den Vater der Tochter, der diesen Prozess unterbrechen könne. Zu der bereits hoch emotionalen Situation käme außerdem das Grundvertrauen, dass man in die Polizei habe. In diesem Fall hätten die Täter außerdem noch dafür gesorgt, dass jede mögliche Kontaktaufnahme z.B. zur Tochter direkt unterbunden wurde, durch eine angebliche Schweigepflicht, die die Tochter unterschrieben hätte.
Die für Prävention und Opferbetreuung zuständige Tanja Molocher hat die Täterseite etwas näher beleuchtet. In vielen Fällen säßen die tatsächlichen Organisationen hinter den Taten im Ausland. Bei einer Betrugswelle werde dann eine bestimmte Region "abtelefoniert" aus einem Callcenter im Ausland, während sich die Handlanger in der Region befänden. Käme es zu einem Erfolg bei einem Anruf, wären die Verbündeten dann schnell vor Ort. Diese Verbündeten würden häufig über das Internet, z.B. Ebay angeworben, hätten aber meistens selbst wenig Ahnung von der dahinterstehenden Organisation und könnten deshalb keine große Hilfe bei der Aufklärung leisten, sollte einer von ihnen erwischt werden. Die meisten Angeworbenen sprächen mittlerweile auch gutes Deutsch, manche sogar mit regionalem Dialekt, was die Glaubwürdigkeit verstärke.
Häufig werde die Rufnummer unterdrückt, könne mittlerweile aber sogar verändert angezeigt werden. Zum Beispiel erhielten Personen auch Anrufe von der 110, obwohl die Polizei niemals von dieser Nummer anriefe.
Aufklärung wichtig für Prävention
Die Polizeibeamten betonen, dass wenn mehr Menschen von den sogenannten Schockanrufen wüssten, der Prozess aus Angst und Handlungsdrang bei Opfer viel schneller unterbunden werden kann. Die Polizei weiß auch noch einmal auf den eingerichteten Alarmverteiler hin. Sobald eine Betrugswelle gestartet und die ersten Fälle gemeldet würden, benachrichtige die Polizei Bankfiliale, Taxifahrer und Dienstleister, die mit Personen aus der Zielgruppe zu tun haben. Man könne sich hier jederzeit anmelden, wenn man zum Beispiel als Dienstleister mit älteren Personen arbeite und somit helfen eventuelle Betrugsfälle von außen schneller zu erkennen und gegebenenfalls aufhalten zu können.
Sollte man selbst von einem solchen betrügerischen Anruf betroffen sein, empfiehlt Frau Molocher sofort aufzulegen, sich die Uhrzeit und Nummer, falls angezeigt, zu notieren und dann sofort die Polizei zu benachrichtigen. Außerdem würden alle Hinweise auf die Stimme, wie Geschlecht oder Dialekt helfen. Es sei sehr wichtig immer die Polizei bei Verdacht auf einen Betrug zu kontaktieren, da das helfe die Dunkelziffer zu erhellen und eventuell sogar relevant für einen späteren Straftatbestand sein könne. Bei mehr gemeldeten Anrufen könne es außerdem immer sein, dass den Tätern ein Fehler unterlaufe und z.B. die echte Nummer aus Versehen angezeigt würde. Das wiederum könne bei der Aufklärung der Straftat und Ermittlung der Hintermänner helfen. "Lieber einmal zu viel anrufen als einmal zu wenig."
Geschrieben von: Redaktion