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Man kann eine Stecknadel fallen hören, als der 96-jährige Abba Naor, ein Überlebender des Holocausts, in der Turnhalle des Allgäu-Gymnasiums vor den Schülerinnen und Schülern der Kemptener Gymnasien spricht. Die Atmosphäre ist fast greifbar, als der Zeitzeuge seine Erlebnisse im Ghetto in Litauen und in den Konzentrationslagern Stutthof, Utting am Ammersee und Kaufering I schildert. Es ist bereits das dritte Mal, dass Abba Naor auf Einladung von Landtagsvizepräsident Alexander Hold ins Allgäu kommt, um als einer der letzten lebenden Zeitzeugen über die Schrecken des Holocausts zu berichten.
„Ich freue mich, dass wir auch dieses Mal wieder alle elften Klassen der drei Kemptener Gymnasien versammeln konnten, um den Schülerinnen und Schülern diese einmalige Gelegenheit zu bieten“, erklärt Alexander Hold, der Abba Naor in seiner Funktion im Stiftungsrat Bayerische Gedenkstätten kennengelernt hat und seitdem eng mit ihm verbunden ist. Für Hold ist es besonders wichtig, dass Zeitzeugen wie Naor die Geschichte aus erster Hand erzählen: „Zeitzeugen berichten aus erster Hand, was eine unvergleichliche Perspektive bietet, die kein Geschichtsbuch ersetzen kann. Persönliche Geschichten machen die historischen Ereignisse viel greifbarer und emotional nachvollziehbarer. Ich halte es daher für immens wichtig, dass wir die Erinnerung an die fürchterlichen Geschehnisse aus der Vergangenheit am Leben erhalten und durch solche Begegnungen wie mit Herrn Naor dazu anregen, sich aktiv für Gerechtigkeit und Toleranz einzusetzen“.
Naor, der 1928 in Litauen geboren wurde, erzählt in eindrucksvollen Worten von seiner Kindheit, der sowjetischen Besetzung Litauens und später der Besatzung durch die Nationalsozialisten. Er beschreibt seine Zeit im Ghetto Kaunas und die dramatischen Erlebnisse, als 1944 das Ghetto geschlossen und die Bewohner in Konzentrationslager deportiert wurden. Der junge Abba Naor wird zu dieser Zeit gerade mal 17 Jahre alt. Im Frühjahr 1945, während des Todesmarsches, wird er von amerikanischen Soldaten befreit. Doch das Leid, das er während dieser Jahre erlebte, prägt ihn sein Leben lang. „Ich habe im KZ oft zum Himmel geschaut und Gott gefragt, wo er sei. Er hat nicht geantwortet“, erzählt Naor und lässt dabei einen bleibenden Eindruck bei den Zuhörern zurück.
Der 96-Jährige spricht offen über die Verluste seiner Familie, die Qualen in den Lagern und seinen Überlebenskampf. „Es muss jeder mit sich selbst ausmachen, ob er mir glaubt“, stellt er fest und stellt sich selbst die Frage: „Glauben die Menschen, die mir zuhören?“ Seine Antwort ist klar und bescheiden: „Ich kann nur erzählen.“ Auf die Frage, ob er gläubig sei, sagt er: „Ich bin nicht gläubig. Ich beneide jeden, der einen Glauben hat. Es lebt sich leichter, wenn man gläubig ist. Aber ich bin froh, dass ich den Glauben an die Menschheit nicht verloren habe.“
Erst seit knapp 25 Jahren spricht Abba Naor öffentlich über seine dramatische Vergangenheit. Zuvor wollte er niemanden mit seiner Geschichte belasten, vor allem nicht seine Familie. Heute reist er, trotz seines hohen Alters, mehrere Monate im Jahr durch Süddeutschland, um an Schulen, Universitäten und in der KZ-Gedenkstätte Dachau zu sprechen. Dabei appelliert er an die kommende Generation, sich aktiv gegen Antisemitismus, Intoleranz und Extremismus einzusetzen.
Auch dieses Mal waren die Zuhörenden wieder tief beeindruckt von der kraftvollen Botschaft Naors und dem offenen Gespräch am Ende, bei dem er immer wieder seinen feinen Humor durchblitzen ließ.
„Ich hoffe sehr, dass wir Herrn Naor auch im nächsten Jahr wieder hier im Allgäu begrüßen können. Sofern es gesundheitlich geht, werden wir alles tun, um ihn erneut zu uns zu holen“, verspricht Alexander Hold zum Abschluss der Veranstaltung.
Geschrieben von: pk
Gymnasien Holocaust Kempten Persönliche Geschichte