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Panorama

Ein Bär in Allgäu: Auswirkungen auf Alpwirtschaft und Tourismus?

today23. Mai 2023 56

Hintergrund
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Im Hintersteiner Tal im Oberallgäu ist ein Braunbär unterwegs. Am Montag, 22. Mai, wurde ein großes Tier bei der Hubertuskapelle im Hintersteiner Tal gesichtet und auch fotografiert. Das Bayerische Landesamt für Umwelt bestätigte am Abend, dass es sich bei dem Tier auf dem Foto um einen Bär handelt. Der Bär hat sich – wie es seinem Verhalten entspricht – vom Ort zurückgezogen, Bären scheuen im Normalfall den Kontakt zu Menschen.

Ein Bär im Oberallgäu – ob er hier nur durchzieht oder sich fest niederlassen wird weiß man natürlich noch nicht. Auch konnte anhand der Fotos und Spuren vor Ort, an der Hubertuskapelle bei Hinterstein, nicht festgestellt werden, ob es sich um ein Männchen oder ein Weibchen handelt. Egal ob er gekommen ist, um zu bleiben, oder ob er nur auf der Durchreise ist, die Aufregung im Oberallgäu ist groß. Im Landratsamt hat man sich nach Bekanntwerden der Sichtung zusammengesetzt und überlegt, wie man nun am Besten mit dieser – neuen – Situation umgeht. Welche Verhaltensregeln muss man der Bevölkerung und den Land- bzw. Alphirten an die Hand geben, damit nichts passiert? Für den heutigen Dienstag lud das Landratsamt nun zu einem Pressegespräch ein.

"Unsere Gesellschaft hat verlernt, mit diesen Tieren zu leben", sagte Agnes Hussek, Wildtierökologin am Landratsamt Oberallgäu. Nachdem Anfang des 21. Jahrhunderts nach mehreren Jahrhunderten mit "Bruno" erstmals ein Bär auf Bayerischem Boden nachgewiesen wurde, wurde ein Plan zum Wildtiermanagement erstellt. In diesem Zusammenhang wurde das Netzwerk Große Beutegreifer gegründet. Ziel des Wildtiermanagements ist die Minimierung möglicher Konflikte zwischen Mensch und einem Wildtier wie Wolf, Luchs oder eben Bär, erklärt Hussek. Die Zentrale des Netzwerkes sitzt in Hof, da aber Bayern flächenmäßig recht groß ist, hat sich inzwischen ein Netzwerk aus rund 200 in der Regel ehrenamtlicher Menschen etabliert, deren Hauptaufgabe es ist, Hinweisen auf Große Beutegreifer nachzugehen, sie zu dokumentieren und an das Landesamt für Umwelt LfU weiterzugehen. Hussek selbst ist Mitglied im Netzwerk, ebenso eine weitere Angestellte des Landratsamtes. Beide sind nach der Sichtung am Montag nach Hinterstein gefahren und haben den Standort verifiziert, in Zusammenarbeit mit dem LfU wurde dann auch das Tier auf dem Foto als Bär verifiziert.

Wie verhalte ich mich, wenn ich einem Bär begegne?

"Bären sind nicht aggressiv, sie versuchen dem Menschen auszuweichen, und dieses Verhalten hat der Bär im Hintersteiner Tal ja auch aufgezeigt", erklärt Kai Bomans vom Fachbereich Jagdrecht am Landratsamt. "Der Bär von gestern, der hat sich groß gemacht, hat sich hingestellt, einfach um sich einen Überblick zu verschaffen. Das ist kein Angriffszenario, sondern einfach nur, dass er sich Überblick verschafft. Nachdem er die Lage sondiert hat, hat er sich zurückgezogen. Das ist ein artgerechtes, normales Verhalten von so einem Tier!"

Doch wie verhalte ich mich am Besten, sollte ich wirklich einmal einem Bären begegnen? Auch das hat Kai Bomanns erläutert. Zunächst einmal sollte man ruhig und besonnen handeln. Auf jeden Fall sollte man Respekt zeigen und Abstand halten und den Bären durch ruhiges Sprechen und langsame Armbewegungen auf sich aufmerksam machen. Am Besten ist es, stehen zu bleiben, nicht wegzurennen und sich aber auch dem Tier nicht zu nähern. Auch nicht für bessere Fotos. Keinesfalls sollte man versuchen, den Bären zu verscheuchen, geschweige denn ihn mit Ästen oder Steinen zu bewerfen. Man sollte dem Bären eine Rückzugmöglichkeit geben und ihn nicht bedrängen, ihn im Auge behalten und langsam den Rückzug antreten. Wenn man einen Hund dabei hat gilt, ihn auf jeden Fall angeleint zu lassen. "Bären sind im Normalfall nicht gefährlich. Sie wollen ihre Ruhe, und wenn Sie dem Tier nicht auf den Pelz rücken, wird es auch friedlich bleiben", erklärt Bomans.

Ein paar Fakten zum Braunbären

Braunbären sind Einzelgänger, keine Rudeltiere, erklärt Markus Haug, Leiter der Abteilung Bauen, Natur und Umwelt am Landratsamt Oberallgäu. Jungtiere leben etwa zwei bis zweieinhalb Jahre bei ihrer Mutter, bevor sie sich auf "Wanderschaft" begeben. Männliche Tiere streifen durch die Gegend auf der Suche nach einem Weibchen – sie können durchaus eine Fläche von 300 Quadratkilometern durchwandern. 

Im italienischen Trentino lebt die Bayern am nächsten Braunbärenpopolation, rund 100 Tiere sind dort nachgewiesen. Wenn sich die Population weiter vergrößert ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Tiere öfter auch ins Allgäu kommen, größer.

Bären sind Allesfresser, aber menschenscheu. Sie sind geschützt. Der Wildtiermanagementplan in Bayern sieht vor, dass Bären durch ein striktes Monitoring überwacht werden um zu sehen, ob ihr Verhalten dem Menschen gefährlich werden kann. Nur bei bestimmten Vorkommnissen dürfen sie geschossen werden – die Entscheidung darüber liegt auch nicht beim Landkreis sondern beim Regierungsbezirk bzw. beim Umweltministerium.

Über den Umgang mit dem Bären – wie ist ein guter Herdenschutz möglich?

"Natürlich hoffe ich, dass der Bär einfach weiterzieht und sich nicht hier niederlässt", sagt Landrätin Indra Baier-Müller. Sie rät jedoch auch zu einem besonnenen Umgang mit dem Thema Bär. Sollte jemand einen Bären sehen oder ein gerissenes Tier finden, sind klare Vorgehensweisen zu beachten. Mehr Infos dazu gibt es hier.

Ein besonderes Problemfeld im Oberallgäu ist das Thema Alpwirtschaft. Die Sömmerung hat gerade begonnen, auf den Alpwiesen sind die Tiere eventuellen Angriffen hilflos ausgesetzt. "Also ich glaube, die Älpler müssen im Prinzip für sich selber die gleichen Dinge beachten wie die Bevölkerung auch", sagt Baier-Müller. Was das Thema Herdenschutz angeht, wurden im Zusammenhang mit dem Wolf bereits unterschiedliche Maßnahmen diskutiert. "Mir schon bewusst und klar, dass bestimmte Bereiche jetzt nicht der Umzäunung dienlich sind. Da wird eher die Frage sein kann man da mit Hunden arbeiten?", so die Landrätin. Wie die Tiere geschützt werden können muss nun erarbeitet werden. Zäune sind also im Bereich der Alpen nicht die Lösung. 

Auch in einer Art Arbeitskreis, die der Landkreis Oberallgäu gemeinsam mit anderen Regionen und auch dem Alpwirtschaftlichen Verein ins Leben rufen will. "Wir würden gerne die anderen Alpen-Anrainerstaaten und Landkreise einladen. Einfach um zu diskutieren und auch, um mögliche Handlungsperspektiven zu erörtern. Ich denke, dass man damit rechnen muss, dass eben nicht nur das Oberallgäu betroffen ist, sondern auch andere Landkreise. Wir hatten ja auch schon im Oberbayerischen die eine oder andere Sichtung. Die Frage, die sich tatsächlich jetzt stellt: wie wollen wir mit dem Thema Wolf umgehen?", erläutert Baier-Müller. Sie möchte auch beispielsweise im Trentino nachfragen, wie die Behörden und Menschen dort mit Bären umgehen, schließlich lebt dort eine größere Population. Und sich dort auch den ein oder anderen Tipp holen.

Auswirkungen auf den Tourismus

Viele Menschen im Oberallgäu leben vom Tourismus. Gerade jetzt, kurz vor den Pfingstferien, wird ein Bär gesichtet. Muss nun ein Einbruch der Tourismus-Zahlen befürchtet werden? Eher nicht, ist sich die Landrätin sicher. "Die Gemeinde Bad Hindelang hat gestern zum Beispiel dadurch reagiert, dass sie auch Flyer auslegen wollen, damit die Menschen, die jetzt in den Urlaub kommen, auch tatsächlich über die Bärensichtung und das bestmögliche Verhalten bei einem Kontakt informiert werden", so die Landrätin. Auch auf der Homepage des Landratsamtes finden sich Informationen.

"Achtsamkeit ist wichtig", so Baier-Müller. Die Behörden wollen nun einfach sicherstellen, dass sich jeder gut informiert fühlt. "Und wir wissen ja gar nicht, wo der Bär aktuell ist, vielleicht ist er ja auch schon weitergezogen!"

Mehr Infos zum Thema Braunbär gibt es unter anderem hier.

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Geschrieben von: Redaktion

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