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Seit gut drei Jahren läuft in Wilpoldsried das Projekt "pebbles". Die Ergebnisse sind deutlich: Lokale Energiemärkte ermöglichen eine kostenoptimierte Energiewende und beschleunigen die notwendige Transformation. Derzeit scheitert es nur an den fehlenden regulatorischen Rahmenbedingungen.
Als pebbles im Juni 2018 startete war es nur eine Vision. Heute, gut drei Jahre später ist diese Vision im Projekt pebbles Wirklichkeit geworden. Die Projektpartner rund um Siemens und das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) haben eine funktionierende lokale Energie- und Flexibilitätshandelsplattform geschaffen.
Rückblick
In der Gemeinde Wildpoldsried in Bayern erproben Siemens und das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) gemeinsam mit ihren Projektpartnern seit gut drei Jahren einen lokalen Marktplatz für Energie und Flexibilitäten unter Einsatz der Blockchain-Technologie. Seit Oktober 2020 ermöglicht eine Handelsplattform privaten Stromproduzenten den Zugang zu einem lokalen Energiemarkt.
„pebbles“ bietet lokalen Erzeugern, Prosumern und Verbrauchern die Möglichkeit, ihren Strom und ihre Flexibilitäten – z.B. die zeitlich verschobene Ladung einer Batterie – aktiv untereinander zu handeln. Eine digitale Plattform verbindet alle Teilnehmer so miteinander, dass sie überschüssigen Strom an andere Verbraucher oder über einen Zwischenhändler an übergeordnete Märkte vermarkten können. Bei lokaler Unterdeckung liefert ein Backup-Versorger zusätzlichen Strom. Über die Plattform legen Nutzer zudem Präferenzen für ihren Strombezug fest und können so etwa die Herkunft des Stromes wählen und maximale Bezugspreise festlegen.
Die Besonderheit der Plattform im Projekt „pebbles“ ist, dass sie die Netztopologie und die prognostizierte Netzauslastung berücksichtigt und so Netzengpässe minimiert. Möglich wird dies durch eine multikriterielle Optimierung der Handelsplattform: Sie wickelt Transaktionen ab und nutzt bei Bedarf Flexibilitäten aus Batteriespeichern oder steuerbaren Lasten wie Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Projekte wie „pebbles“ zeigen, wie Stromnetze zukünftig flexibler werden können, um mehr erneuerbare Energien aufnehmen zu können. Lokale Energiemärkte können so den Bedarf an kosten- und zeitintensivem Ausbau der Netze und des Netzengpassmanagements minimieren. Insgesamt haben sie so das Potenzial, die Kosten für die Energiewende zu senken. Aktuell stehen dieser Perspektive jedoch ein starres Netzentgeltsystem und hinderliche regulatorische Rahmenbedingungen entgegen.
Projektabschluss und konkrete Ergebnisse
Im Rahmen der Abschlussveranstaltung, am 13. Oktober in der Gemeinde Wildpoldsried im Allgäu haben die Konsortialpartner eindrucksvoll die Projektergebnisse vorgestellt.
Sebastian Gebhardt, Projektleiter beim Allgäuer Überlandwerk verdeutlichte auf Grafiken, dass es gelungen sei Verbrauch und Erzeugung innerhalb der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestmöglich aufeinander abzustimmen. Beeindruckend waren auch die Anzahl der Transaktionen, die innerhalb der Stromhandelsplattform geschlossen wurden. Dadurch, dass die Mengen je Viertelstunde gehandelt werden, kamen allein mit den rund 60 realen und virtuellen Teilnehmern täglich gut über 6.000 Verträge zustande.
Die Kernergebnisse des Projekts lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Während einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Abschlussveranstaltung, haben sich die Vertreter des Projekts gemeinsam mit Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzendem der Grünen im Bayerischen Landtag und einem Anwender der pebbles Plattform über die Projektergebnisse und die künftigen Herausforderungen ausgetauscht.
„Die Projektergebnisse sind ein voller Erfolg. Wir haben gezeigt, wie lokale Energiemärkte funktionieren, welche Rahmenbedingungen dafür benötigt werden und was technisch für eine Umsetzung notwendig ist. Die Ergebnisse haben wir einem Policy Paper zusammengefasst und hoffen sehr, dass es die nächste Bundesregierung aufgreifen und sich daran orientieren wird.“, sagt Michael Lucke, Geschäftsführer AÜW. „Wir als Energieversorger sind gefordert, die bestehenden Strukturen kritisch zu hinterfragen und mit neuen Geschäftsmodellen den Energiemarkt der Zukunft mitzugestalten. Die neue Bundesregierung ist parallel dazu aufgefordert, die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen für ein neues Marktdesign zu schaffen. Auch die Bundesnetzagentur sollte sich darüber Gedanken machen, ob das Modell der statischen Netzentgelte in dieser Form noch lange Bestand haben kann.“
Stefan Jessenberger, Innovations-Manager bei Siemens und Initiator des Projektes stellte nochmals die immensen Potenziale für die Reduzierung der Kosten der Energiewende durch bessere Nutzung der Flexibilitäten der Nutzer in den Vordergrund. Für eine erfolgreiche Transformation müssen steuerbare Erzeuger, Speicher und Verbraucher künftig noch systemdienlicher integriert werden. Nur dadurch lassen sich die Kosten im Netzausbau deutlich reduzieren.
„Dass wir bei der Energiewende heute stehen, wo wir stehen, haben wir der damals eingeführten EEG-Systematik zu verdanken. Allerdings muss man heute, gut 20 Jahre später, neue Konzepte andenken und das System modernisieren“, sagt Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag. „In Hinblick auf die Netzentgelte entbehrt es jeder Logik, dass man genauso viel für lokal erzeugten Strom zahlen muss, als wenn man ihn aus 800 km Entfernung bezieht.“
Günter Mögele, 2. Bürgermeister der Gemeinde Wildpoldsried und selbst Teilnehmer an der Energieplattform pebbles: „Wenn ein lokaler Energiemarkt so funktioniert, wie in pebbles gezeigt, kann er sich gut vorstellen, bei solch einem System dabei zu sein. Grundsätzlich funktioniert ein lokaler Energiemarktplatz aber nur dann, wenn das Konzept für beide Seiten (Verbraucher und Erzeuger) Vorteile bietet.“
Wie geht es weiter nach Abschluss des Projekts
Zum Ende der Podiumsdiskussion beantwortete Michael Lucke die Frage, wie es nach Projektabschluss weitergeht wie folgt: „Wir hoffen sehr, dass das Thema lokale Energiemärkte in der politischen Bildung einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Wir würden uns freuen, wenn wir es schaffen, das Konzept im Stil von pebbles größer zu machen und zu zeigen, dass dieses Modell beliebig skalierbar ist. Vergleichen wir uns mit dem Bild „Henne oder Ei – wer war zuerst da“, kann ich nur sagen: Wir haben so lange an dieser Idee gearbeitet und haben als Henne gezeigt, dass es geht. Jetzt wollen wir endlich mal ein (regionales) Ei legen. Es darf nicht nur ein Wildpoldsried geben, wir brauchen dies flächendeckend in Zukunft.“
Geschrieben von: Redaktion