Listeners:
Top listeners:
AllgäuHIT
AllgäuHIT-Kaffeeklatsch: mit Rebecca Simoneit-Barum vom Zirkus Charles Knie
„Rund um“ in Lindau am Bodensee: Ein Segelrennen mit Tradition und Flair Thomas Häuslinger
„Rund um“ in Lindau am Bodensee: Ein Segelrennen mit Tradition und Flair Thomas Häuslinger
Lange Zeit galt das Oberallgäu als "sicherer Hort" während des Zweiten Weltkrieges. Am 22. Februar 1945 fielen dann die ersten Bomben auf Sonthofen, der Bereich um das Spital glich einem Trümmerfeld. Am 29. April dann der zweite Angriff: Brandbomben trafen die voll besetzte Pfarrkirche St. Michael. Wie durch ein Wunder wurde niemand getötet. Am nächsten Tag marschierten französische Truppen ein, Sonthofen kapitulierte.
Natürlich hatten die Menschen auch im Oberallgäu die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges schon lange gespürt: Die Männer wurden eingezogen, viele verloren in den Kämpfen ihr Leben. Lebensmittel waren schon kurz nach Kriegsausbruch rationiert, ebenso andere Dinge des täglichen Gebrauchs wie beispielsweise Kraftstoffe. Von direkten Kampfhandlungen jedoch blieben die Sonthoferinnen und Sonthofer bis kurz vor Kriegsende verschont.
Flüchtlinge strömen ins Allgäu
Mit den schweren Luftangriffen auf die großen Städte in Deutschland kamen immer mehr Flüchtlinge, Evakuierte und "Ausgebombte" in die Region. Seit dem Vorrücken der Roten Armee kamen im Laufe des Jahres 1944 auch immer mehr Menschen dazu, die aus den "Ostgebieten" geflohen waren. Waren im Oktober 1943 in Sonthofen noch 459 Flüchtlinge gemeldet, wuchs die Zahl bald rapide an: im April 1944 lag sie schon bei 688, im Oktober 1944 bei 1.019, bis März 1945 war sie auf 2.037 Personen angestiegen. Ein hoher Anteil an Geflüchteten also, führt man sich vor Augen, dass die Einwohnerzahl Sonthofens im Jahre 1941 bei knapp 10.000 lag.
Die Bomben kommen näher
Auch wenn die Sonthoferinnen und Sonthofer selbst von Bomben verschont blieben, so bekamen sie die Angriffe dennoch mit. Neben den Menschen, die aus ihren zerstörten Wohnungen und Häusern geflohen waren, konnte man die Flieger bis ins Oberallgäu sehen. So berichtet ein Zeitzeuge über die Situation im Jahr 1943: "Wenn wir nachts zum Fenster rausschauten und der Feuerschein links vom Grünten zu sehen war, galt der Angriff Augsburg, war der Feuerschein rechts vom Grünten, galt der Angriff München. Die Polizei musste jeden Abend ausrücken, um die Bevölkerung auf die Verdunklung hinzuweisen."
Im Herbst 1944 hatte der Krieg dann das Oberallgäu tatsächlich erreicht. Drei Bomben wurden nahe der Sesselalpe bei Oberstdorf abgeworfen. Hatten die Menschen im Allgäu die Fliegeralarme bislang ignoriert, nahmen sie sie jetzt ernster. In Sonthofen wurde mit dem Bau eines Luftschutzstollens unter dem Kalvarienberg begonnen.
Bomben auf Sonthofen
Am 22. Februar 1945 heulten schließlich die Sirenen in Sonthofen und meldeten akute Gefahr. Gegen 13 Uhr warfen alliierte Flugzeuge rund 30 Bomben über der Gemeinde ab. 60 Menschen verloren an diesem Tag ihr Leben. Viele wurden teils schwer verletzt. Die Zerstörungen waren immens: Das Spital war getroffen und brannte völlig ab. Die Spitalkirche wurde vollkommen zerstört. Die Gegend zwischen Hochstraße, altem Bahnhof und Distriktspitalstiftung glich einem Trümmerfeld. Im Bereich des Bahnhofes wurden mehrere Lagerhallen schwer beschädigt, die Gleisanlagen zerstört. Mehrere Gebäude unter anderem in der Völk- und der Grüntenstraße waren stark beschädigt.
Wenige Tage später musste ein us-amerikanischer Jagdbomber zwischen Sonthofen und Altstädten notlanden. Die Besatzung wurde von einer Volkssturmgruppe festgehalten und später festgenommen. Auf ihrem Weg durch Sonthofen wollte ein Mann die Amerikaner angreifen. Er war in der Folge als "Prügelwirt" bekannt. Kurz nach Ostern griffen Tiefflieger Verkehrswege rund im Sonthofen an, bei diesem Angriff kamen zwei Menschen ums Leben.
Ende April rückten die alliierten Kräfte immer weiter vor, in Sonthofen konnte man die Kampfgeräusche der Front hören. Es gab beinahe täglich Fliegeralarm, die Menschen suchten in den Schutzräumen Schutz. In den letzten Kriegstagen stieg die Zahl der Menschen, die sich in Sonthofen aufhielten immer weiter an – Soldaten auf dem Rückzug, Flüchtlinge, Verletzte.
Das Wunder von St. Michael
Am 29. April 1945 erlebte Sonthofen einen weiteren schweren Bombenangriff. Es war ein Sonntag, zahlreiche Menschen waren in der Pfarrkirche St. Michael versammelt und nahmen am Gottesdienst teil, als akuter Luftalarm ertönte. Keine Zeit mehr, die Luftschutzräume aufzusuchen.
Ein Zeitzeuge berichtet über die Geschehnisse in der Pfarrkirche: "Kaplan Berger hatte die Geistesgegenwart, die Gläubigen aufzufordern, an den Seitenwänden der Kirche Schutz zu suchen. Kaum war dies geschehen, als Bomben auf die katholische Pfarrkirche fielen, die das Mittelschiff trafen und das Dach völlig zertrümmerten."
Die Geistesgegenwart des Kaplans rettete Menschenleben, denn wie durch ein Wunder wurde niemand getötet und es gab nur wenige Verletzte.
Der Kirchturm brannte ab, die verzweifelten Löschversuche konnten dies nicht verhindern. Neben der Pfarrkirche wurde bei diesem Angriff das Landratsamt stark beschädigt. Mehrere Gebäude waren vollkommen zerstört, darunter die Hirschbrauerei, das Kaufhaus Herburger und drei weitere Wohnhäuser. Das Benefiziatenhaus, das Haus Gobert, das Café Elsässer sowie zwei weitere Gebäude waren schwer beschädigt.
Sonthofen kapituliert
Spätestens an diesem Tag war es absehbar, dass die alliierten Truppen nur noch kurze Zeit benötigen würden, um in Sonthofen einzumarschieren. Der damalige Landrat Waller und der Sonthofer Bürgermeister Herkommer stellten sich gegen die Anordnungen von "oben", Sonthofen bis aufs Letzte zu verteidigen. Hätte dies doch die Vernichtung des Ortes bedeutet.
Durchziehende Soldaten wurden entwaffnet, die beschlagnahmten Waffen wurden im Rathaus deponiert. (Wer die Gedenktafel auf dem Oberen Markt in Sonthofen schon einmal gelesen hat, weiß, dass dies keine gute Idee war: Anfang Mai entzündeten sich die Munitionsbestände, das Rathaus, ehemaliger Gasthof zur Krone, wurde komplett zerstört.) Versuche von Wehrmacht und SS, die Illerbrücke bei Rieden zu sprengen um den anrückenden Alliierten den Weg abzuschneiden wurden, wie es auf einer Gedenktafel an der Illerbrücke heute noch zu erfahren ist, von fünf mutigen Riedener Bürgern vereitelt, die die Sprengladungen entfernten.
Am 30. April 1945 rückten französische Streitkräfte in Sonthofen ein. Zeitzeugen berichten von Panzern, die durch die menschenleeren Straßen durch den Ort fuhren und immer wieder Warnschüsse abgaben. An vielen Häusern hingen weiße Tücher als Zeichen der Kapitulation. Landrat Waller erklärte vor dem Landratsamt die Kapitulation Sonthofens. Vor dem Rathaus wurde die französische Trikolore gehisst.
Für Sonthofen war der Krieg damit zu Ende. Am 8. Mai kapitulierte das Deutsche Reich.
(Sämtliche Informationen zum Artikel sind entnommen aus Eva Veit: Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg, in: Sonthofen im 20. Jahrhundert, Immenstadt, 2013)
Geschrieben von: Redaktion