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Panorama

AllgäuHIT SonnTalk: Rettung durch die Alpine Einsatzgruppe der Polizei

today5. Juni 2022 16

Hintergrund
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Wenn ein Notruf in den Bergen abgesetzt wird, dann wird die Bergwacht alarmiert. Häufig wird sie durch die Alpine Einsatzgruppe der Polizei begleitet. Wann? Das weiß Florian Veit aus Sonthofen, er ist der Chef der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei im Allgäu und war zu Besuch im AllgäuHIT SonnTalk.

AllgäuHIT: Die Bergwacht ist normalerweise für die Rettung in den Bergen zuständig. Wann kommt die Alpine Einsatzgruppe der Polizei zum Einsatz?

Florian Veit: Die Bergwacht ist da, wenn Menschen in Not sind, wenn sie verletzt sind. Die Rettungsorganisation ist für solche Angelegenheiten immer der erste Ansprechpartner, das ist richtig. Wenn es jetzt aber größere Einsätze sind, Vermisstensuchen, Lawinen, dann sind wir mit am Bord. Man kann sagen, dass die Bergwacht rettet und versorgt. Und wir schauen, wenn es notwendig ist, sind Straftaten oder Fehler begangen worden. So schaffen wir sehr oft und sehr gerne mit der Bergwacht zusammen. Skiunfälle sind zum Beispiel im Winter unsere Haupttätigkeit. Wenn A in B fährt, dann überprüfen wir die geltenden FIS-Regeln und schauen wer war für den Unfall verantwortlich. Ob dann wer bestraft wird, entscheiden die Gerichte. Und bei Vermisstensuchen, die das ganze Jahr auftreten können, hören wir uns die Hinweise der Bekannten, Angehörigen an und gehen mit der Bergwacht die Wege ab. Schauen in Hütten, in Tobel, ob der- oder diejenige Unterschlupf gesucht hat oder verletzt, ja sogar leblos, irgendwo liegt.

AllgäuHIT: Wie viele seid Ihr für diese Arbeit?

Florian Veit: Momentan sind wir 20 Kollegen, wir unterscheiden uns nach Spezialität. Ich bin beispielsweise Bergführer, Canyoning- und Wasserführer. Je nachdem wer gebraucht wird, wird zu einem Einsatz hinzugerufen. Wir sind von Lindenberg nach Oberstdorf, von Füssen nach Memmingen auf unsere Dienststellen verteilt. Der erste Anruf geht an die Polizeizentrale nach Kempten und der zweite Anruf dann an denjenigen von uns, der vor Ort helfen kann. Wer ist im Dienst? Wenn es zu wenige sind, dann müssen wir auch aus unserer Freizeit ran.

 

Beispiele aus dem Einsatzgeschehen

AllgäuHIT: In diesem Jahr hatten wir einen Großeinsatz der Rettungskräfte in Oberstdorf. Im Februar haben zwei Wanderer unterhalb des Nebelhorns einen Notruf abgesetzt, an einem Tag mit sehr schlechten Wetterbedingungen. Einer ist vor Ort bereits gestorben, der zweite konnte gerettet werden. Aber auch er erlag seinen Verletzungen. Was war das für ein Einsatz für Euch?

Florian Veit: Dieser Einsatz hat uns alle beschäftigt und wir mussten sagen, dass wir nachts niemanden bei dem Wetter rausschicken konnten. Es gab Sturm, Schneefall, Nebel und sogar eine Lawinengefahr. Wir wussten nicht, wo die beiden sind. Wir haben uns entschlossen keinen loszuschicken, weil wir sonst womöglich auch Verletzte hätten oder sogar noch Schlimmeres. Wir haben versucht in der Nacht alles vorzubereiten, dass, sobald es hell wird und das Wetter besser wird, wir sofort starten können. Für uns ist es nach wie vor ein Einsatz, der nicht so schnell abgehakt werden kann. Weil für uns der Einsatz nicht normal verlaufen ist, weil wir sie nicht retten konnten.

AllgäuHIT: Wir kommen zu einem gewohnten Einsatz der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei. Wie läuft das ab?

Florian Veit: Wenn wir wissen, dass wir alarmiert werden, dann schauen wir, welche Bergwacht oder welche Organisation ist hier schon federführend im Einsatz. Wir sprechen uns ab, wo wir uns treffen und ob wir weitere Geräte mitbringen sollen. Wie beispielsweise Ortungsgeräte, die die Bergwacht nicht hat. Das läuft dann Hand in Hand. Wenn es jemand ist, der geborgen werden muss, weil er verletzt ist, dann wird gerettet. Wir unterstützen dann, wo wir können. Eben auch mit unserem Material und Hubschrauber. Wenn ein toter Vermisster geborgen werden muss, dann hilft auch die Bergwacht mit. Da schaffen wir zusammen.

AllgäuHIT: Welcher war ein Einsatz, der Dir noch im Kopf geblieben ist?

Florian Veit: Wir sind nicht nur für die Berge, sondern auch für Ulm/Memmingen/Günzburg im Einsatz. Einmal durften wir uns Legoland nach Günzburg. Da hat es einen Unfall im Hochseilgarten gegeben, den wir polizeilich aufnehmen mussten. Normalerweise sind unsere Kollegen für Unfälle zuständig, aber wann immer es um Seil- und Sicherungstechnik geht, fällt es wieder in unseren Bereich. Wenn Fragen gestellt werden müssen wie, hat er alles richtig gemacht oder ist der Unfall passiert, weil man es nicht vermeiden konnte? Das war für mich ein netter Arbeitsausflug. Die Umstände, dass jemand verletzt wurde, waren natürlich nicht schön. Aber für uns war es mal etwas anderes, dass wir unsere Ermittlungen im Legoland aufnehmen durften. Das war für uns ein schöner Tag.

 

„Noch nicht auf dem Niveau wie vor Corona“

AllgäuHIT: Wir werfen mal einen Blick auf die Zahlen, wie hast Du das Jahr bisher erlebt?

Florian Veit: Wenn man es rein polizeilich betrachtet, dann läuft es noch relativ ruhig. Noch haben wir nicht die Zahlen wie vor Corona. Das wird wieder langsam, leider, aber es ist noch überschaubar, was wir polizeilich zu tun haben in den Bergen. An Ostern hatten wir ein paar Skiunfälle, aber sonst war der Übergang Winter zu Frühling überschaubar.

AllgäuHIT: Vor uns steht der Sommer, wieder mehr Menschen werden in den Bergen unterwegs sein. Wie bereitet ihr euch aktuell vor?

Florian Veit: Die Unfallmechanismen sind immer die gleichen. Wir haben unsere Abläufe. Die Unfälle aufnehmen ist im Prinzip nichts anderes als wie einen Verkehrsunfall zu bearbeiten. Wir machen Vernehmungen, machen Bilder. Und ansonsten üben wir für den Ernstfall. Wir trainieren Seil- und Sicherungstechniken, fliegen Hubschrauber, seilen uns auch mal ab. Das sind unsere Standardmaßnahmen und wir schauen, dass wir bei den neuesten Techniken am Ball bleiben.

AllgäuHIT: Wenn wir uns mal die Verunglückten anschauen, kann man pauschal sagen, dass es Anfänger sind? Was siehst du in der Praxis?

Florian Veit: Nicht unbedingt, wir haben die komplette Bandbreite von Erfahrenen bis Anfänger. Unfälle passieren, man stolpert, man passt nicht auf. Das passiert jedem. Es sind auch nicht pauschal auswärtige Touristen. Aber man muss ganz klar sagen, je häufiger man in die Berge geht, desto mehr ist die Wahrscheinlichkeit da, dass was passiert.

AllgäuHIT: Wie schauen hier die Zahlen aus?

Florian Veit: Die letzten zwei Jahre waren coronabedingt ruhig. Wenn man es anschaut, vor Corona hatten wir im Schnitt 160 Einsätze im Jahr. In den Jahren 2019 und 2020 sind sie runter auf 130 und im letzten Jahr, wo sehr viel nicht möglich war, hatten wir sogar nur 90 Einsätze. Das ist glaube ich nicht normal.

 

Wie wird man Teil der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei?

AllgäuHIT: Es sind also verschiedene Einsätze mit einer intensiven Zusammenarbeit mit der Bergwacht. Wie werde ich denn ein Teil von euch?

Florian Veit: Zuallererst muss man ausgebildeter Polizeibeamter sein und man muss Alpinist sein. Man muss im weglosen Gelände gehen können, im schroffen Gelände klettern können, Ski fahren, Skitouren gehen können und körperlich fit sein. Wenn man das mitbringt, dann kann man sich bei uns bewerben. Allerdings nur wenn wir ausschreiben, wenn Bedarf da ist. Dann gibt es ein kleines Auswahlverfahren. Ein persönliches Gespräch, aber auch Übungen, wie im Sommer beim Klettern und im Winter beim Skifahren. Wir prüfen die Fähigkeiten der Bewerber ab, erst danach kann man zu uns kommen. Denn wir müssen ja bei jedem Wetter raus, bei jedem Gelände gehen können. Da muss man schon was auf dem Kasten haben.
Der Bedarf ist eigentlich immer da. Wir werden auch nicht jünger, wir brauchen immer mal wieder Nachwuchs. Aber es ist schwer Bewerber zu finden, die von Haus aus das können, was wir gerade gebrauchen können, deshalb sind die Bewerberzahlen auch nicht so hoch.

AllgäuHIT: Kommen wir über die Arbeitszeiten zu sprechen. Ihr seid alles reguläre Polizeibeamte. Wie läuft es ab, wenn der Anruf kommt?

Florian Veit: Genau, wir sind ganz normale Polizisten, ich bin beispielsweise Dienstgruppenleiter. Ich habe meine Arbeitszeit. Wenn währenddessen was kommt, dann ist es natürlich perfekt. Dann arbeite ich den Einsatz in meiner Arbeitszeit ab und in den Stunden, die eben draufkommen, das sind meine Überstunden. Wenn wir aber nicht genügend Kollegen sind, dann werden wir auch in der Freizeit verständigt. Bei großen Einsätzen wird die ganze Gruppe alarmiert, dann müssen alle kommen, die gerade können.
Die Alpine Einsatzgruppe ist ein Nebenamt, wie wir sagen. Hauptamtlich sind wir Ermittler, Kripo-Beamte. Und diese Arbeit machen wir nebenher. Wir kriegen das bezahlt, auch die Ausrüstung, aber das kommt eben obendrauf.

AllgäuHIT: Vor dem Sommer und dem größeren Urlaubsaufkommen, lass uns noch zum Schluss über die Zahlen sprechen. Worauf stellt ihr euch ein, wenn es ein relativ normaler Sommer wird?

Florian Veit: Um die 140 bis 160 Einsätze, vielleicht auch wieder mehr. Im letzten Jahr hatten wir 13 Tote, in einem normalen Jahr sind es zwischen 25 und 28. Ich denke, das wird wieder normaler wird, dass die Zahlen steigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir wegen dem 9€-Ticket beispielsweise überrannt werden. Das ist zumindest meine Einschätzung, weil wir nicht die perfekte Struktur vom ÖPNV haben. Aber es werden wieder Urlauber, Bergsportler zu uns kommen. Es werden wieder mehr Zahlen werden, weil alles wieder normaler wird. Wie sie am Ende aussehen, das werden wir im Dezember erfahren.

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Geschrieben von: Redaktion

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