Listeners:
Top listeners:
AllgäuHIT
AllgäuHIT-Kaffeeklatsch: mit Rebecca Simoneit-Barum vom Zirkus Charles Knie
„Rund um“ in Lindau am Bodensee: Ein Segelrennen mit Tradition und Flair Thomas Häuslinger
„Rund um“ in Lindau am Bodensee: Ein Segelrennen mit Tradition und Flair Thomas Häuslinger
Ein Bericht von Norbert Kolz
Der Verein "Schaut hin e.V." mit Sitz in Oberstdorf kümmert sich um die Opfer sexueller, körperlicher und häuslicher Gewalt. Resi Kraft hat den Verein 1984 gegründet. Der traurige Anlass war der Sexualmord an einem kleinen Mädchen in Sonthofen. Im AllgäuHIT SonnTalk hat Norbert Kolz mit Resi Kraft über ihre Arbeit gesprochen.
Es ist leider fast schon ein Dauerthema in den Medien. Gewaltübergriffe gegenüber Kindern. Jede Gewalt verursacht Leid und ist eine Verletzung der Würde und der psychischen und körperlichen Integrität von Kindern und Jugendlichen. Dieses grundlegende Kinderrecht ist juristisch geschützt durch das Grundgesetz und die UNO-Kinderrechtskonvention. Der Alltag sieht jedoch für viele Kinder oft anders aus.
Im Allgäu gibt es einen Verein, der sich um diese Kinder kümmert, die Opfer sexueller, körperlicher und häuslicher Gewalt wurden. Dieser Verein heißt „Schaut hin“ und hat seinen Sitz in Oberstdorf. In unserer SonnTalk-Sendung begrüßte Moderator Norbert Kolz zu diesem Thema Resi Kraft. Sie ist die erste Vorsitzende des Vereins und erzählte in der Sendung von Radio AllgäuHIT über ihre Arbeit und Erfahrungen.
1984 begann Resi Kraft mit ihrer Arbeit. Anlass war ein Sexualmord in Sonthofen an der kleinen Schwester einer Arbeitskollegin. Das Kind wurde Opfer eines Sexualverbrechens und nach der Tat noch lebend in die Iller geworfen. Resi Kraft war damals bei der Polizei angestellt und wurde von ihrem Chef freigestellt mit der Bitte, sich um die Familie zu kümmern. Dieses schreckliche Ereignis war gewissermaßen der Anfang für das, was Resi Kraft seitdem mit ihrem Verein „Schaut hin“ ehrenamtlich macht. Der Verein entstand aber erst 1999 durch eine Bürgerinitiative. Die Jahre zuvor stemmte Resi Kraft alles alleine, was viel Zeit und auch eigenes Geld kosteten.
Zivilcourage heißt „hinschauen“ und nicht „wegschauen“
Der Name des Vereins ist Programm und zugleich eine Mahnung an alle, genau das zu tun „hinzuschauen“ und nicht weg. Zivilcourage ist gefragt und darin, so Resi Kraft liegt das Problem. „Die Menschen fürchten sich vor den Konsequenzen, die sich ergeben könnten. Bei diesem Thema müsste es aber viel mehr laute Stimmen geben, um das Thema deutlicher zum Ausdruck zu bringen und so eine Botschaft zu hinterlassen. Diese Botschaft lautet „wir beobachten unsere Umwelt“ und schreiten ein, wenn wir dies für notwendig halten“.
Anonymität wird garantiert
Niemand braucht Angst vor Repressalien zu haben. Der Kontakt zum Verein bedeutet in jedem Fall Anonymität. Bei Kenntnisnahme wird der Verein dann tätig und schaltet das Jugendamt oder gegebenenfalls auch die Polizei ein. Ein Anstieg von Gewaltdelikten gegenüber Kindern konnte während und nach Corona festgestellt werde. Sexuelle Übergriffe, und das war die große Sorge von Resi Kraft, gab es Gott sei Dank nicht. So sieht sie die Entscheidung und den Zwang von Home-Schooling und Homeoffice im Nachhinein als problematisch, weil dies zu Spannungen innerhalb der Familien führte, oftmals zum Leidwesen der Kinder.
Durch das Internet kann kein gedeihliches Miteinander in Familien entstehen
Gewalt gegen Kinder ist aber kein typisches Coronaproblem. Auch vor und jetzt nach Corona stellt Resi Kraft fest, dass es immer wieder Fälle gibt, die in den Familien zu Spannungen führen. Schuld daran ist das Internet und die Tatsache, dass in den Familien heute kaum noch miteinander gesprochen und z.B. durch gemeinsame Spiele ein gedeihliches Miteinander entstehen kann. Die Vorsitzende des Oberstdorfer Vereins „Schaut hin“ macht auch deutlich, dass Vernachlässigung und Ignoranz eine Form von Gewalt darstellen, die durchaus zu Problemen führen kann. Körperliche Gewalt ist in der Regel beweisbar, nicht so die psychische Gewalt. Resi Kraft behauptet aus der Erfahrung ihrer Arbeit, dass psychische Gewalt viel intensiver und belastender ist, als körperliche Gewalt. Das Verhältnis zwischen körperlicher und psychischer Gewalt läge etwa bei 50 zu 50.
Jeder denkt nur an sich und an seine eigenen Interessen
Jede Form von Gewalt ist ein Angriff auf das Selbstwertgefühl, an dem man auch zu Grunde gehen kann, wenn der Zustand lange anhält und keine Hilfe in Aussicht ist. Eine geregelte Arbeit und damit auch ein geregeltes Einkommen und eine ausreichend Wohnungsgröße tragen dazu bei, dass soziale Stabilität gegeben ist. Dies ist geeignet um die Fälle von Gewalt einzudämmen. Dennoch sieht sie auch hier die Gefahr des allgegenwärtigen Internets, dass in den Familien dafür sorgt, dass kaum noch was miteinander gemacht wird, jeder denkt nur an sich und an seine eigenen Interessen. Dabei erinnert sie sich an ihre eigene Kindheit, ohne Internet, dafür aber z. B. an gemeinsame Fahrradausflüge.
Zu den großen privaten Spendern gehört die Siemensstiftung in München
Die Finanzierung des Vereins erfolgt über Mitgliedsbeiträge und Spenden, ansonsten will sich der Verein in keine andere finanzielle Abhängigkeit begeben. Das Jahresbudget liegt derzeit bei 60.000 bis 80.000 Euro. Diese Summe ist erforderlich, um die Arbeit des Vereins zielgerichtet und effektiv durchzuführen. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 18 Euro. Eine öffentliche Förderung gibt es nicht, der Verein will sich auch hier in keine Abhängigkeit begeben. Zu den großen privaten Spendern gehört die Siemensstiftung in München. Eine weitere Zusammenarbeit besteht mit der Tabaluga-Kinderstiftung, hier aber nicht finanziell, sondern in Form von Besuchen im Sternstundenhaus der Kinderstiftung.
Krankenkassen zahlen nicht immer Therapiekosten
Die Summe von bis zu 80.000 Euro ist auch deswegen notwendig, da der Verein „Schaut hin“ kostenintensive Therapien bezahlt, die von der Krankenkasse nicht immer übernommen werden. Weiter gehören Reittherapien zum Leistungsumfang, wie auch Traumatherapien von Heilpraktikern, da auch hier die Krankenkassen keine finanziellen Beteiligungen anbieten. Rechtsanwalt- und Gerichtkosten werden auch übernommen, wenn es keine Prozesskostenhilfe gibt. Von all diesen Unterstützungen profitieren derzeit ca. 80 Personen jährlich. Der persönliche zeitliche Einsatz von Resi Kraft und ihren Mitstreitern lässt sich gar nicht in Stunden ausdrücken. Diese Zeit ist nicht erfassbar, da schon die zeitlich intensiven Beratungsgespräche zum Teil mehrere Stunden dauern. Eine klare Abgrenzung zieht Resi Kraft zu den rechtlichen Möglichkeiten und weist darauf hin, dass der Verein keine Rechtsberatung leistet, was auch gesetzlich nicht zulässig wäre, dies obliegt alleine nur den zugelassenen Rechtsanwälten. Dennoch ergeben sich aus dem Erstgespräch auch juristische Einschätzungen dahingehend, dass es Empfehlungen gibt, die in Richtung Anwalt, Gericht oder Polizei gehen.
Zeit nehmen und zunächst ganz einfach nur zuzuhören
Wichtig sei sich bei jedem Opfer viel Zeit zu nehmen und zunächst ganz einfach nur zuzuhören. Das bedeutet für die Betroffenen oft schon ein Stück Erleichterung, weil diese erkennen, es nimmt sich jemand Zeit und hört verständnisvoll zu. Sollte dann die Entscheidung feststehen die Polizei einzuschalten, vermeidet Resi Kraft jede Form von Hintergrundfragen, um in dem Verfahren als mögliche glaubwürdige Zeugung aussagen zu können. In jedem Fall muss der Eindruck der Beeinflussung vermieden werden. 95 Prozent der Hilfesuchenden sind weiblich. Umgekehrt ist die Zahl von 5 Prozent bei Männern der Tatsache geschuldet, dass Männer sich nicht so offen einbringen, was wohl auch dem männlichen Ego geschuldet ist.
Machtausübung oft Ursache für Übergriffe
Das jüngste Kind, das als Fall bei Resi Kraft ankam war gerade mal 2 Jahre alt und wurde vom eigenen Vater vergewaltigt. Resi Kraft hat aus ihrer langjährigen Erfahrung gelernt, dass es oft um Machtausübung geht und dass diese Männer oft selbst als Kind missbraucht wurden. Dies kann manchmal von einer Generation zur anderen weitergetragen werden und hier gilt es, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Angesprochen auf die schweren Fälle und die Belastung für sie selbst und damit auch der Notwendigkeit einer eigenen Therapie sagt Resi Kraft, dass sie das noch nie gebraucht habe. Sie sei eine starke Persönlichkeit, die sich Kraft in der Natur holt oder auch gemeinsam mit ihrer Schwester Unternehmungen macht. Wenn auch die meisten Fälle innerhalb der Familie passieren, so stellt Resi Kraft das Lebensmodell Familie nicht in Frage. Gott sei Dank seien es eher Ausnahmefälle und in den meisten Familien hätte sich dieses Lebensmodell bestens bewährt. Diese Ausnahmefälle passieren in der deutlichen Mehrheit in deutschen Familien und nicht in Familien mit einem Migrationshintergrund, so die Erfahrung.
Schule kann auch Tatort sein, wenn es um Mobbing geht
Die Zusammenarbeit mit Behörden und Intuitionen funktioniert insgesamt gut. In Schulen gibt Resi Kraft Informationsveranstaltungen zum Thema Gewalt gegenüber Kindern. Das Schule auch ein Tatort sein kann, sieht Resi Kraft nur im Bereich des Mobbings und weist darauf hin, dass auch Mobbing eine subtile Form von Gewalt sein kann. Zurück zur Frage nach der Zusammenarbeit mit anderen Stellen. Hier äußert sich Resi Kraft positiv im Bereich der Jugendämter, die immer reagierten, wenn ein Fall gemeldet wird. Bei den Krankenkassen würde sie sich wünschen, dass diese nicht so restriktiv eine Kostenübernahme, z.B. für erforderliche Therapien ablehnen. Zum Schluss ging es im Interview noch im zwei Kleiderläden des Vereins „Schaut hin“ in Oberstdorf und in Sonthofen. Diese beiden Läden seien eine wertvolle Unterstützung bei der gesamten Arbeit. Aber auch hier gibt es einen Wermutstropfen, den sie ausdrücklich erwähnt. Besonders Migranten würden sich im Kleiderladen oft danebenbenehmen und undankbar zeigen. Regale würden unkontrolliert ausgeräumt und zum Teil dann Kleidung vor die Füße geworfen, weil die Ware nicht gefällt und es sich nicht um einen Markenartikel handelt.
Geschrieben von: Redaktion