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Zwischen Brüssel und dem Allgäu ist die Kemptener EU-Abgeordnete Ulrike Müller diese Tage unterwegs. Im AllgäuHIT SonnTalk hat sie über ihre Hilfsaktion berichtet und die Herausforderungen der EU, die angesichts der steigenden Energiepreise angepackt werden müssen.
Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine ist die Welle der Solidarität auch im Allgäu zu spüren. Menschen gehen für Frieden auf die Straße, spenden Geld oder packen Hilfsgüter für die Ukrainer. Quasi über Nacht sind Aktionen entstanden, die zum einen die Menschen vor Ort unterstützen, aber auch ankommende Flüchtlinge willkommen heißen. Von dieser Solidarität zeigt sich auch die EU-Abgeordnete Ulrike Müller beeindruckt. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, nachdem wir oft andere Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. Aber die Solidarität gegenüber der Ukraine ist enorm. Solche Dinge entstehen aus einer Idee heraus. Der eine kommt zum anderen, dieser geht zum nächsten und so entsteht eine Welle. So haben wir gemerkt, wie viele Menschen hilfsbereit sind.“
Helf ma zam!
Große Hilfsorganisationen sammelt vor allem Geld, um flexibel vor Ort reagieren zu können. Ulrike Müller sammelt Pakete mit den notwendigsten Dingen. „Die Idee entstand im Parlament, als mein rumänischer Kollege Vlad Botos auf mich zu kam und mir von der Lage in Rumänien erzählt hat.“ Zwar flüchten die meisten Menschen aus der Ukraine über Polen, mittlerweile sind aber über 400 Tausend Flüchtlinge auch in Rumänien angekommen. „Rumänien ist ein armes Land, sie könnten zwar Turnhallen zur Verfügung stellen, aber sie brauchen Decken oder Lebensmittel.“ Daraufhin kontaktierte Müller den Allgäu Airport in Memmingen, der Destinationen in Rumänien hat. „Ich wusste von einer Airline, die 100 Tausend Tickets an Ukrainer verschenkt, um sie ins Allgäu zu bringen. Und die Flugzeuge müssen ja zurück, so kam mir die Idee, dass damit Hilfsgüter nach Rumänien und auch weiter in die Ukraine geliefert werden können. Mein Kollege ist der Ansprechpartner vor Ort und garantiert, dass alle Päckchen hilfsbedürftige Menschen in Rumänien und in der Ukraine erreichen.“ Die ersten Maschinen sind am Mittwoch und am Samstag geflogen, weitere sollen in der nächsten Woche folgen.
Es werden weiterhin Spenden in Kempten, Missen und Sonthofen angenommen. „Es sind Hygieneartikel, Kinderwindeln, Waschsachen. Wir müssen es uns so vorstellen, dass die Menschen wirklich gar nichts haben“, sagt Ulrike Müller. „Deshalb lautet mein Tipp, jeder soll sich überlegen, was brauche ich am nötigsten. Zahnbürste, Nudeln oder auch Schokolade für die Nerven habe ich beispielsweise eingekauft.“
Der Überblick über die Inhalte hilft Spendern die richtigen Sachen in Pakete zu packen. WANN die nächste Spenden gesammelt werden, wird Anfang der Woche bekannt gegeben.
Wie reagiert die EU?
Dass in Europa mal Krieg ausbricht, das hätte die EU-Abgeordnete noch vor einem halben Jahr nicht gedacht. „Wir haben im europäischen Parlament immer unsere Sicherheitspolitik auf dem Schirm, wir bekommen Updates. Letzte Woche war ich in Nordrhein-Westphalen, wo das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr sitzt. Dort werden Rüstungskontrollen durchgeführt, dazu machen sie Flüge über verschiedene Länder als Friedenssicherung. Und seit 2020 dürfen sie das über Russland nicht machen, unter dem Vorwand Covid19. Das haben wir im Parlament mit großer Sorge betrachtet, aber wir hätten uns niemals träumen lassen, dass Putin ernst macht.“
„Ich möchte ganz deutlich sagen: Es ist nicht die russische Bevölkerung, die diesen Krieg führt. Es ist das Regime Putins.“
Gegen Russland zu halten, fällt ganz Europa schwer. Ein Grund dafür ist auch die Abhängigkeit von Gas- und Öllieferungen. „Deshalb habe ich eine Aufforderung unterschrieben diese Lieferungen zu stoppen. Ich bin der Meinung, dass es uns in Europa gelingen muss autark zu werden. Es gibt Möglichkeiten über Norwegen oder auch die Arabischen Staaten zu gehen. Die Verträge laufen, diese könnten wir ausweiten.“ Es gehe auch darum Putin nicht zu provozieren, denn aktuell darf der Luftraum über der Ukraine nicht genutzt werden. „Das dürfen wir nicht. Wenn wir das tun würden, dann hätten wir den 3. Weltkrieg vor uns. Und unter diesem enormen Druck stehen derzeit alle Europa-Parlamentarier, aber auch die Staats- und Regierungschefs.“
Die Europäische Union hat nach Kriegsausbruch sofort Sanktionen gegen Russland verhängt. Danach haben viele internationale Unternehmen ihre Standorte in Russland geschlossen oder bieten ihre Dienstleistungen nicht mehr an. „Ich denke, Putin wird es nicht zugeben, aber diese Sanktionen treffen ihn gravierend. Vor allem weil das Geld der Oligarchen eingefroren ist. Unsere Wirtschaft leidet auch darunter, die scharfen Sanktionen bedeuten auch für uns Einschnitte. Aber deshalb sage ich immer, wir bezahlen mit Euro und die Ukrainer hingegen mit ihrem Leben.“ Die Folgen für deutsche Unternehmen sind noch nicht absehbar, das wird ein Thema der nächsten Woche. „Ich treffe mich mit Betroffenen in den Lieferketten. Auch Allgäuer Unternehmen schauen mit großer Sorge auf ihre Standorte in Ukraine und Russland und fragen sich zum Beispiel, woher sie Verpackungsmaterial bekommen. Es herrscht auch die Sorge enteignet zu werden. Hier ist, glaube ich, das Ende noch nicht in Sicht.“
Getreide- und Energieengpässe?
Die Ukraine wird auch die „Kornkammer Europas“ genannt, das Land liefert viel Getreide und Sonnenblumenöl an verschiedene Länder auf der Welt. Gerade für das Öl ist Südostasien ein großer Abnehmer. Diese Lieferungen sind durch den Krieg bedroht. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Ukraine etwas anbauen kann. Wir in Deutschland haben nicht viel Getreide eingelagert, weil wir gedacht haben, dass die nächste Ernte im Juni kommt“, erzählt Müller. „Dennoch ist die Nahrungsversorge gesichert. Innerhalb Europas sind wir in der Lage die Ernährung zu sichern, dafür haben wir einen Notfallplan. Darüber werden wir auch nächste Woche intensiv diskutieren.“ Ein Punkt wird für die EU-Abgeordnete die Vereinbarkeit mit den Klimazielen sein. „Wir haben uns darauf verständigt Flächen still zu legen. Landwirte sollen zukünftig Geld bekommen, wenn sie nachhaltig produzieren und etwas fürs Tierwohl und den Klimaschutz tun. Jetzt müssen wir darüber nachdenken, ob diese 4 Prozent Stilllegung der Flächen noch gehen.“ Eine gute Nachricht hat Müller für Deutschland: „Wir sind in der Lage uns zu versorgen, Deutschland ist ein reiches Land und kann immer alles einkaufen. Schwierig wird es für Afrika oder Südostasien.“
Die hohen Energiepreise ist der andere Bereich, der aktuell vor allem Verkehrsteilnehmer trifft. „Die Preise machen uns zu schaffen, die Energiekosten explodieren. Ich glaube, die Bundesregierung wäre gut beraten, wenn die Energiesteuer gesenkt wird. Denn die Hälfte des Preises sind Steuern.“ Außerdem setzt sich Müller für den Ausbau der regenerativen Energien ein. „Wir müssen so schnell wie möglich eine dezentrale Energieversorgung ausbauen und müssen Befindlichkeiten abbauen, wenn irgendwo ein Windrad gebaut wird. Zusätzlich müssen Speicherkapazitäten ausgebaut werden. Es kann nicht sein, dass wenn ich ins Allgäu fahre die Windräder in Wildpoldsried stillstehen, weil die Sonne scheint und wir genug Energie aus den Solaranlagen haben. Das darf künftig nicht passieren.“ Dazu kann die Landwirtschaft ebenfalls einen Beitrag leisten. Neben Holz gibt es die Möglichkeit Biogas gezielter einzusetzen, aus Rindergülle könne Energie genutzt werden, sagt Ulrike Müller. „Dann hoffe ich, dass im nächsten Winter niemand bei uns frieren muss.
Hoffnung auf Frieden
Viele Menschen gehen weltweit für den Frieden auf den Straßen, auch im Allgäu finden regelmäßig Kundgebungen statt. Die Einigkeit Europas sei das einzige Mittel gegen Russland, so die EU-Abgeordnete. „Wir müssen wir unsere europäischen Werte zusammenstehen. Die Freiheit, die wir genießen, ist nicht selbstverständlich. Deshalb finde ich es gut, dass so viele Menschen auf die Straßen gehen. Die Politik muss beides machen: Menschen unterstützen und gleichzeitig die politische Diplomatie behalten. Ich denke, wir können Putin nur stoppen, wenn er sein Gesicht wahren kann. Das ‚System Putin‘ funktioniert sehr gut, er ist es nicht allein. Wir müssen mit geschlossener Stimme sprechen und das tun wir, darüber bin ich sehr froh.“ Für die nächste Generation arbeite Müller daran, dass sie das Europa der Freiheit genauso erleben können, wie sie es getan hat. „Und dafür lohnt sich jeder persönliche Einsatz.“
Geschrieben von: Redaktion