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Panorama

Offen für alle: Mehrgenerationenhaus Memmingen im SonnTalk

today14. November 2022 65

Hintergrund
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Eine Einrichtung für alle – das ist das Mehrgenerationenhaus Memmingen. Jeder Mensch, egal in welchem Alter und mit welcher Ausrichtung, kann sich dort mit anderen austauschen, sich weiterbilden oder auch Hilfe in der Nachbarschaft finden. Birgit Holetschek und Stephan Vogt waren im AllgäuHIT SonnTalk und haben über ihre Arbeit gesprochen.

AllgäuHIT: Das Mehrgenerationenhaus lebt vom Austausch, wie kann ich mir das im Haus vorstellen?

Birgit Holetschek: Wir haben ein offenes Haus, jeder kann kommen, Fragen stellen, sich beraten lassen – ganz unverbindlich und das zu ganz unterschiedlichen Themen. Ob zu Angeboten für Eltern, digitaler Weiterbildung wie Handyumgang oder zur Betreuung von Familienangehörigen.

AllgäuHIT: Hinter dem Mehrgenerationenhaus steckt ein Verein, Familiengesundheit 21. Woher kommt er?

Stephan Vogt: Die Gründer des Vereins orientieren sich am Programm der WHO in Europa. Es gibt 21 Ziele. Wir haben damals gesagt, wir schaffen uns eine kreative Bewegungsbaustelle, wo wir viele Ideen verfolgen können und beziehen sie auf diese Ziele. Die Ziele sind zum Beispiel ein gesunder Lebensanfang, psychische Gesundheit, Partner zu gewinnen für gesundheitliche Belange und viele mehr.

AllgäuHIT: Gesundheit trifft also auf den persönlichen Austausch. Für jemanden, der das Konzept noch nicht gehört hat, wie würden Sie das Mehrgenerationenhaus mit diesem Hintergrund erklären?

Stephan Vogt: Familie definiert jeder selbst. Es gibt nicht nur die klassische Kernfamilie, Vater, Mutter, Kind, sondern es sind oft Nachbarschaften. Die Realitäten haben sich im letzten Jahrzehnt merklich verändert. Viele gründen Familien oft weit weg vom Ort des Erwachsenenwerdens -auch in Memmingen. Deshalb sind wir alle gefordert, dass wir Familie neu entdecken, neu entwickeln. Es ist nicht selten, dass eine Tochter, ein Sohn einer älter werdenden Person anruft, weil sie versucht ihre Familienaufgaben aus der Entfernung zu lösen. Wir verstehen uns als kreative Problemlöser und Begleiter im Alltag.

 

AllgäuHIT: Kommen wir auf die Angebote zu sprechen, was bieten Sie an?

Birgit Holetschek: Wir fangen an von der Krabbelgruppe, die sich bei uns trifft, bis demenziel Erkrankten, damit die Angehörigen in einer gesicherten Zeit was machen können, zum Arzt oder Frisör gehen können. Vom Krabbeln bis zum Rollator ist alles dabei.

AllgäuHIT: Also wie ein großes Wohnzimmer für alle?

Birgit Holetschek: Sehr groß ist es nicht. Wir haben zwei Büros, ein Wohn- und Esszimmer, eine Küche. Es ist überschaubar, aber ganz gemütlich. Es fühlt sich nicht an wie ein Büro. Wir haben eine Kinderspielecke, einen Bücherschrank. aber auch einen Schrank mit digitalen Angeboten, Alexas und Smartwatches, um beraten zu können.

AllgäuHIT: Die Pflege von Angehörigen ist ein Riesenthema. Häufig lebt man nicht nebenan, Sie unterstützen an dieser Stelle. Wie?

Stephan Vogt: Wir sind gut vernetzt. Wir haben ein Betreuungsnetzwerk im Aufbau. Es ist ganz lebendig. Es kommen immer neue Angebote dazu. Von klassischer ambulanter Pflege bis zur Nachbarschaftshilfe, um Licht in die Wohnung zu bringen, wenn eine Lampe zum Beispiel defekt ist. Es ist eine niedrigschwellige Hilfe, die bis zur Vermittlung von Wohnangeboten geht. Wenn wir merken, das ist nicht unsere Baustelle, dann geben wir es weiter. Da arbeiten wir mit dem Pflegestützpunkt Memmingen und Krankenhäusern zusammen.

 

AllgäuHIT: Hinter dem Mehrgenerationenhaus stecken ganz viele Menschen. Wenn Menschen zusammenkommen, entstehen die schönsten Geschichten. Was ist Ihnen besonders im Kopf geblieben?

Birgit Holetschek: Wir haben ein neues Programm, Technik erleben. Dabei können acht-, neun-, zehn-jährige Kinder Lego Robotics erleben, das von einem 14-Jährigen erklärt wird. Wir haben aber auch Elektriker, Ingenieure, die an Fischer-Technikkästen Wasserstoff- und Brennstoffzellen erklären. Es ist toll mitanzusehen, wie Senioren mit den Kindern umgehen, wie Kinder rausrennen und ihren Eltern davon begeistert erzählen.
Ansonsten haben wir ein Café digital, wo wir jüngere Senioren haben, die älteren digitale Angebote erklären. Viele haben ein Handy geschenkt bekommen und wissen nicht, was sie damit machen können. Ihnen wird beigebracht, wie Kontakte eingearbeitet werden, wie Bilder verschickt werden. Es gibt tolle Sachen, es kommen alle gerne wieder und wir freuen uns, wenn sie sagen, dass sie nächste Woche kommen und wieder Fragen mitbringen.
Worauf ich mich persönlich freue, sind die Adventssamstage. Da bieten wir wieder eine Kinderbetreuung an. Kinder von 3 bis 12 Jahren, von 10 bis 16 Uhr, werden von Erziehern, Auszubildenden betreut, damit Eltern in Ruhe shoppen und Weihnachtsgeschenke besorgen können.

AllgäuHIT: Haben Sie bei einigen Angeboten bemerkt, dass es zuerst Berührungsängste haben?

Birgit Holetschek: Eigentlich weniger. Sowohl Senioren als auch Kinder kommen relativ entspannt und aufgeschlossen. Wir gelten da als Vertrauensperson, auch weil wir von der Stadt Memmingen gefördert werden. Gut versteckt in der Straße, allerdings sehr lebendig.

AllgäuHIT: Sie bilden die Menschen auch weiter, im Bereich Pflege. Wie kann ich mir das vorstellen? Sie sind ja kein Ausbildungsbetrieb.

Stephan Vogt: Wir machen seit viele Jahren eine Demenzhelferschulung. Für Jung und Alt, da lernt der 18-Jährige neben einem 80-Jährigen, das kam schon vor. Das hat uns sehr stolz gemacht. Das hat uns bewogen für die Wohngemeinschaften, die wir begleiten, Bundesfreiwilligenstellen zu schaffen. Fast alle haben danach den Weg auch eingeschlagen, im Studium oder in einer Pflegeausbildung. Das hat uns bestätigt, dass das Grundinteresse da ist und ein Jahr bei uns verbracht werden kann.

 

AllgäuHIT: Damit man nicht auf Hilfe angewiesen sein muss, kann man präventiv vorbeugen. Auch dieses Thema greifen Sie auf, in welcher Form?

Birgit Holetschek: Wir versuchen zum Beispiel digitale Angebote darzustellen. Ohne Werbung für Alexa machen zu wollen, zeigen wir gerne, wie einfach Videotelefoniere mit Drop In ist, das es mehr als ein normales Telefon ist. Dass es möglich ist eine automatische Musik einzustellen, ohne dass die Senioren mehr machen müssen. Da ist es schön, dass danach die Lebensfreude bei vielen wiederkommt. Dass man Nachrichten hören kann, Erinnerungen einstellen kann, wie dass man Medikamente einnehmen oder Wasser trinken muss. Dass die Senioren damit wieder unabhängiger werden. Das ist Vorbeugung.

AllgäuHIT: Technisch ist nämlich viel möglich. Also gehen hier Technik und Prävention Hand in Hand.

Stephan Vogt: Bescheid zu wissen, ist der erste Ansatz. Beim Thema Prävention fällt mir ein Bild ein. Ich habe den Eindruck, die Menschen kommen dann zur Demenzhilfe, wenn es sie betrifft. Dabei gibt es eine längere Phase, wo sie das Thema meiden. Wie eine betroffene Krankenschwester mal gesagt hat, Demenz ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Deshalb freuen wir uns, dass wir seit fast einem Jahr einen kommunalen Auftrag der Stadt Memmingen übernehmen dürfen, ein Präventionsangebot anzubieten, das helfen soll Demenz zu vermeiden. Da geht‘s ums Gehen, Spielen, Tanzen, Wissensvermittlung. Wir versuchen da ältere Personen anzusprechen, die ein höheres Risiko hatten, sich nicht so viel zu bewegen. Der erste Kurs läuft seit wenigen Wochen und die Rückmeldung ist, dass es Spaß macht, offen damit umzugehen und Lebensfreude gemeinsam zu entwickeln.

AllgäuHIT: Das Ganze geht nicht ohne Ehrenamtliche und die richtige Unterstützung.

Birgit Holetschek: Das stimmt, ohne Ehrenamtliche geht es überhaupt nicht bei uns, sowohl bei der Nachbarschaftshilfe als auch beim Café digital. Es sind sehr viele engagiere Ehrenamtliche, für die wir sehr dankbar sind.

Stephan Vogt: Wir könnten diese Breite an Angeboten sonst nicht an anbieten. Sie sind zur gleichen Zeit in mehreren Haushalten zum Beispiel. Wir haben mal ausgerechnet im Jahr 2021, dass der Umfang der Stunden so hoch ist wie sechs Festangestellten.

AllgäuHIT: Wir schauen zum Schluss noch gemeinsam in die Zukunft, wo brauchen Sie noch Unterstützung?

Stephan Vogt: Wir haben ein großes Glück mit über 600 Mitgliedern, die Beiträge zahlen. Man bekommt ja nicht einfach so eine Förderung, sondern muss auch als Verein Eigenmittel einbringen. Da ist jeder Euro wertvoll, deshalb sind wir auf Spenden angewiesen. Mitanpacken kann bei uns jeder, wir freuen uns über jeden.

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Geschrieben von: Redaktion

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