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Beim "AllgäuHIT-Sonntalk" standen Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Kempten-Oberallgäu-Lindau AllgäuHIT-Moderator Norbert Kolz zu verschiedenen Themen Rede und Antwort. Auf Grund von Corona-Bestimmungen und um den Rahmen nicht zu sprengen waren in dieser Sonntalk-Ausgabe lediglich die Direktkandidaten jener Parteien mit dabei, die bereits im Bundestag sitzen. AllgäuHIT wird den weiteren Parteien jedoch auch noch die Möglichkeit geben, zu Wort zu kommen.
Mechthilde Wittmann von der CSU, Martin Holderied von der SPD, Pius Bandtke von den Grünen, Stephan Thomae von der FDP, Engelbert Blessing von der Linken und Rainer Rothfuß von der AfD waren am Sonntag im Medienhaus Allgäu zu Gast und stellten sich den Fragen von AllgäuHIT-Moderator Norbert Kolz. Themen waren unter anderem die aktuelle Lage in Afghanistan und Flüchtlinge.
Moderator Norbert Kolz zitierte Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, der bei einer aktuellen Stunde im Bundestag zur Lage in Afghanistan gesagt hatte: „Die Verzweiflung der Menschen am Flughafen in Kabul zerreißt einem das Herz und das Schicksal erschüttert das Selbstverständnis des Westens. Unser Selbstverständnis. Es ist eine Tragödie für die Afghanen. Wir dürfen die Menschen nicht im Stich lassen.“ Die Meinungen der Bundestagskandidaten hierzu unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander.
Mechthilde Wittmann (CSU) geht das Thema emotional nahe, die Bilder aus Afghanistan haben sie sehr berührt. Der Bundestag müsse sich in den nächsten Jahren intensiv mit dem Thema auseinandersetzen und mit der Frage, wie man mit den innerhalb des Landes bestehenden, schwierigen Konflikten umgehen soll, auf die man keinerlei Einfluss habe, seien sie kultureller oder auch politischer Art. Ebenso sei es jedoch wichtig sich damit zu beschäftigen, wie man mit der Bedrohung umgehe, die von diesem Land nach außen ausgehe. Wittmanns Einschätzung des Krieges in Afghanistan: Deutschland und die Bündnispartner hätten versucht, dort eine Lage zu schaffen, in der es der Bevölkerung möglich ist halbwegs in Frieden zu leben. Dieser Versuch sei gescheitert.
Engelbert Blessing (Die Linke) war selbst sechs Monate als Bundeswehrsoldat im Afghanistaneinsatz, weshalb ihn die Entwicklungen vor Ort sehr mitnehmen. Er habe mehrere der Ortskräften kennengelernt und mit zweien sogar zusammen gewohnt. Die Ortskräfte seien schon vor einigen Jahren bedroht worden. Das Auswärtige Amt habe jedoch die Anerkennung ihrer Papiere verweigert. Was den Bundeswehreinsatz in Afghanistan bzw. den Bündnisfall angeht ist Blessing grundsätzlich skeptisch. So seien die Taliban lediglich in die ländlichen Gebiete zurückgedrängt worden, wirklich befriedet war das Land nie. Am Beispiel Irak habe sich jedoch auch gezeigt, dass die Bevölkerung nach dem Eingriff der USA in einem zerstörten Land ohne Regierung zurückgelassen wurde und bis heute darunter leidet.
Für Martin Holderied (SPD) ist es wichtig, gemeinsam mit den Bündnispartnern zu überlegen, wie man auch nach dem Abzug der US-Streitkräfte möglichst viele bedrohte Menschen in Sicherheit bringen könne. Die Frage, die diskutiert werden müsse sei, ob man mit den Taliban rede und verhandle oder nicht. Rückblickend stelle sich die Frage, inwieweit der Bundeswehreinsatz richtig gewesen sei – die Anschläge vom 11 September 2001 seien in Afghanistan geplant worden, die Bündnistreue gegenüber der NATO sei der ausschlaggebende Grund für den Einsatz Deutschlands gewesen. Von Seiten der USA sei der Druck im Krieg gegen den Irak noch größer gewesen, hier habe die Bundesregierung jedoch einen Einsatz abgelehnt.
Der Grüne Bundestagskandidat Pius Bandtke sieht die Situation in Afghanistan mit den Augen einer Generation, die glücklicherweise keinen Krieg miterleben musste und für die Krieg immer weit weg erschien. Umso schlimmer sei es für ihn zu sehen, wie verzweifelt die Menschen in Afghanistan sind, wie die Menschen dort sterben und wie die westlichen Mächte sie im Stich lassen. Der Bundeswehreinsatz müsse im Nachhinein kritisch betrachtet werden, ab den Jahren 2005/2006 hätte klar sein müssen, dass man Afghanistan nicht einfach die westlichen Werte überstülpen könne.
AfD-Kandidat Rainer Rothfuß kritisiert den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr grundsätzlich. Seine Partei habe im Bundestag immer gegen eine Verlängerung des Einsatzes gestimmt. Es sei von Anfang an ein Fehler gewesen, in Afghanistan Krieg zu führen und 20 Jahre lang zu versuchen, das Land den westlichen Werten zu unterwerfen. Weiter kritisiert Rothfuß, dass in diesem Krieg nicht nur viel Geld in den Sand gesetzt worden sei, weil man einem „unrealistischen Traum“ hinterhergelaufen sei. Auch seien deutsche Soldaten gefallen in einem völkerrechtswidrigen Krieg. Der Bündnisfall sei nicht richtig gewesen. Wie im Irak und Libyen habe der Krieg sehr viel Leid erzeugt und habe zu Flüchtlingsströmen geführt.
Stephan Thomae von der FDP frägt sich, was in Afghanistan schief gelaufen ist. Der Einsatz sei desaströs misslungen. Er habe 2010 das Land besucht und festgestellt, dass es beispielsweise drei verschiedene Gerichtsbarkeiten gibt – die staatlichen Gerichte, die religiösen Gerichte und die Rechtsprechung durch die Dorfältesten. Es sei nicht möglich ein Land kulturell und religiös so umzuformen, dass es in unsere westlichen Werte passe.
Uneins sind sich die Kandidaten bei einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsstrategie bzw. einer gemeinsamen europäischen Armee: Stephan Thomae und Mechthilde Wittmann sind dafür, Engelbert Blessing und Rainer Rothfuß sind dagegen – beide wollen nicht die staatliche Souveränität aus der Hand geben. Martin Holderied und Pius Bandtke sind auch gegen eine gemeinsame europäische Armee, für sie ist eine gemeinsame europäische Außenpolitik zunächst wichtiger.
Das Thema Flüchtlinge und Zuwanderung war in den vergangenen Jahren stets ein hochbrisantes politisches Thema und ist angesichts der Lage in Afghanistan wieder topaktuell.
Laut Rainer Rothfuß hat die AfD hier eine „konsequente aber humane“ Haltung – die AfD will Fluchtursachen vermeiden, so zum Beispiel durch die Vermeidung „völkerrechtswidriger Kriege“ wie in Libyen oder Syrien, wie Rothfuß anführt. Stattdessen solle Hilfe vor Ort stattfinden, die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten sollten heimatnah in den Nachbarländern untergebracht werden. Wenn Menschen bis nach Europa fliehen solle man ihnen helfen, aber auch die Fluchtursachen bekämpfen und die Flüchtlinge dann zurück in ihre Heimatländer bringen.
Auch für Engelbert Blessing steht die Bekämpfung der Fluchtursachen an erster Stelle, allerdings hebt er hervor, dass die Menschen nicht nur vor Kriegen fliehen sondern oftmals auch aus wirtschaftlicher Not. Deshalb brauche es eine auf Gemeinwohl orientierte europäische Außenpolitik. Wichtig sei es zudem, dass die EU verhindert, dass Menschen auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrinken oder auf dem Landweg ausgeraubt werden. Den Flüchtlingen in Deutschland Nachbarländer von Kriegsgebieten immer diejenigen sind, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen.
Mechthilde Wittmann will denjenigen, die aus einem „Bedrohungsumfeld“ fliehen müssen, Schutz bieten, wie es das Asylrecht vorsieht. Allerdings hebt sie hervor, dass im Umfeld der Flüchtlingswelle von 2015 auch viele Wirtschaftsflüchtlinge nach Europa kamen. Sie kritisiert ein fehlendes europäisches Asylrecht und hebt hervor, dass Deutschland nicht dazu in der Lage ist, allen Wohlstand zu garantieren. Am besten wäre es, wenn direkt vor Ort bereits geklärt werden könne, ob die Menschen in Europa überhaupt Chance auf Asyl haben. Weiter gibt Wittmann zu bedenken, dass Menschen sich in einem Land, das einem völlig fremden Kulturkreis angehört, weniger wohl fühlen als in einem heimatnahen Land.
Stephan Thomae zeigt die Unterschiede zwischen westlichen und östlichen europäischen Staaten in Bezug auf den Willen, Flüchtlinge aufzunehmen, auf. Er betont allerdings, dass diejenigen Länder, die weniger Flüchtlinge aufnehmen, bereit sein müssen, ihren Beitrag auf andere Weise zu leisten.
Geschrieben von: Redaktion