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100 Milliarden Euro – so viel Geld will die Bundesregierung in die Bundeswehr investieren. Kanzler Olaf Scholz hat dies am Sonntag während seiner Regierungserklärung in Anbetracht der massiven Drohungen Putins gegenüber der westlichen Welt bekannt gegeben. Die deutsche Verteidigungs- und Außenpolitik macht eine bis vor einer Woche nicht vorstellbare Kehrtwendung – Waffenlieferungen an eine Nation in Krieg und Wiederaufbau der Bundeswehr, die in den vergangenen Jahren nach und nach abgebaut wurde.
AllgäuHIT hat mit der CSU-Bundestagsabgeordneten für das Oberallgäu, Kempten und Lindau, Mechthilde Wittmann, über die Sondersitzung des Bundestages und über die Situation der Bundeswehr-Standorte im Allgäu gesprochen. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat im Deutschen Bundestag. CDU und CSU haben angekündigt, in dieser Angelegenheit eng mit den Regierungsparteien zusammenzuarbeiten.
Frau Wittmann, 100 Milliarden Euro sind sehr viel Geld. Weiß man denn schon, was mit diesem Geld gemacht werden soll?
Mechthilde Wittmann: „Zunächst muss man sagen, dass diese Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, dem ehemaligen Finanzminister, ein großer Schritt ist. Die CDU/CSU hat während der Großen Koalition mit der SPD immer darauf gedrängt, dass die Ausrüstung der Bundeswehr im weiteren Sinne, also neben der finanziellen Ausrüstung auch Hardware, Technik, persönliche Ausrüstung, völlig unzureichend ist. Es war der damalige Finanzminister Scholz, der unermüdlich und unerbittlich gebremst hat. Insoweit ist das jetzt ein großer Schritt für ihn, wir können ihn nur begrüßen. Noch ist jedoch nichts außer diesem Betrag in der Welt, jetzt müssen wir Gesetze ändern, jetzt müssen wir Schulden aufnehmen.
Aber ich glaube es ist richtig, jetzt den großen Schritt zu wagen und zu sagen, wir müssen endlich wieder wehrfähig sein. Nicht zuletzt deswegen, weil wir nur dann offenkundig so manchen Despoten dazu zwingen können, mit uns zu verhandeln als Land wie auch als Europäischen Union wenn er fürchten muss, dass wir in der Lage sind, bestimmte Unternehmungen zu verhindern oder auch unsererseits eine Abschreckung zu liefern. Der erste Schritt innerhalb der 100 Milliarden muss jedoch sein, dass unsere Soldaten, die jetzt bereits in den baltischen Staaten ihren Dienst verrichten und nicht einmal eine vernünftige Winterkleidung haben, umgehend vernünftig ausgerüstet werden. Es ist ein Unding, die jungen Frauen und Männer so alleine zu lassen.“
Die Sondersitzung des Bundestages markiert einen Wendepunkt in der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik. Die Bundeswehr soll massiv gestärkt werden und man wird Waffen in die Ukraine schicken. Wie haben Sie die Stimmung in der Sitzung empfunden?
Mechthilde Wittmann: „Ich möchte kurz auf den Tag vor der Bundestagssitzung zu sprechen kommen. Es gab an diesem Tag eine beeindruckende Mahnwache vor der russischen Botschaft, gemeinsam mit Ukrainerinnen und Ukrainern. Wenn wir schon nichts anderes tun können, können wir uns wenigstens hinstellen vor die russische Botschaft und dort wirklich klare Worte laut aussprechen. Wenn man sich vorstellt wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer sich jetzt in tiefer Angst den russischen Angreifern entgegenstellen, das ist beeindruckend und deshalb war uns das wichtig.
Die Bundestagssitzung war gezeichnet von einer beeindruckenden Kollegialität unter allen demokratischen Parteien, gezeichnet von großer Betroffenheit der Abgeordneten, man hat gemerkt, wie bewegt alle sind. Wir alle waren uns bewusst, dass dies eine Umkehr ist im politischen Leben, dass das, was bis vor 2 oder 3 Jahren für uns alle normal war – ich schließe die Zeit von Corona jetzt auch mal aus – nämlich das immer weitere Anwachsen von Sicherheit, die Lässigkeit, das Wohlbefinden, dass sich all das fundamental geändert hat spätestens mit diesem Angriff.
Wir sind sehr betroffen aus der Sitzung gegangen, aber auch mit einem Entschlossenheit, uns das nicht bieten zu lassen, dass ein einziger machtgieriger Herrscher, ich möchte fast sagen Diktator, hier jetzt mit Lügen, mit unbekannter Brutalität gegen die Menschen vorgeht. Ein Herrscher, der nicht bedroht worden ist sondern im Gegenteil, der machtsüchtig um sich greift. Das können wir uns nicht bieten lassen. Das gefährdet ja nicht nur den Frieden dort vor Ort, das gefährdet das Friedenskonzept Europas und es gefährdet die Demokratie. Das werden wir alle nicht zulassen, darüber waren wir uns parteiübergreifend einig.“
Eine neue Ära der Außen- und Verteidigungspolitik
Unterstützen Sie diese Entscheidungen persönlich? Immerhin ist dies eine Abkehr der jahrelangen Friedens- und Appeasement-Politik der Bundesregierung.
Mechthilde Wittmann: „Ja, diese Entscheidung unterstütze ich, weil manchmal Frieden leider nur mit einer klaren Haltung, und diese Haltung muss leider in diesem Fall mot Tatsachen untermauert werden, durchzusetzen ist. Es geht tatsächlich um den Frieden für die Bevölkerung und für unsere Kontinent. Und wenn er bedroht wird dann müssen wir uns zur Wehr setzen, wir wollen genau diesen Frieden halten, und dies geht angesichts der Aggression von Seiten Russlands nur, wenn wir dagegen halten können und das müssen wir tun. Das heißt übrigens nicht, dass wir weitere Verhandlungen und Diplomatie ausschließen!
Wir sind uns alle sehr bewusst, was die Menschen in der Ukraine jetzt erleiden. Diese Situation war unvorstellbar. Ich bitte jeden Einzelnen hier im Allgäu, fest an die Menschen dort zu denken. Wer gläubig ist, möchte die Menschen bitte in seine Gebete einschließen. Wir sollten alles daran setzen, jetzt Hilfe zu leisten. Ich weiß, dass wir hier alle dazu in der Lage sind und auch den Willen haben. Lassen Sie uns das bitte gemeinsam tun!“
Annalena Baerbock als Außenministerin – von vielen Seiten wurde diese Entscheidung der Ampelkoalition teils hämisch belacht. Wie schlägt sie sich in Ihren Augen bislang in dieser kritischen Situation?
Mechthilde Wittmann: „Ich muss sagen, habe Annalena Baerbock schon schlechter erlebt. Ich habe auch am Anfang zu denen gehört, die nicht so beeindruckt waren und ich behaupte weiterhin, dass auch die internationale Welt noch nicht so von ihr beeindruckt ist. Aber sie wächst in ihrer Aufgabe, und ich möchte ausdrücklich klarstellen, dass sie nichts unversucht lässt und mit aller Kraft, ich behaupte 24 Stunden, 7 Tage die Woche arbeitet, und das möchte ich durchaus mit einem gewissen Respekt, den ich ihr diesbezüglich zolle, anerkennen.“
Bundeswehrstandorte im Allgäu
Ein Blick ins Allgäu. Mehrere Allgäuer Kommunen haben in den vergangenen Jahren massiv unter dem Abbau von Bundeswehrstandorten gelitten: Kempten, Kaufbeuren, Füssen, vor allem aber Sonthofen. Hier sollen zwei von drei Kasernenareale schließen, den Wegzug von Bundeswehreinheiten in den vergangenen Jahren wie auch den Wegfall der Wehrpflicht spürte man hier seit langem besonders – Handel, Gastronomie und das Nachtleben leiden, die Innenstadt stirbt nach und nach aus. Zwar wurde im Rahmen der letzten Bundeswehrreformen kein Standort vollständig geschlossen, dennoch hat die Bundeswehr Personal aus dem Allgäu abgezogen. Kann man schon sagen, ob die derzeit leerstehenden Kasernenareale wider Erwarten doch wieder mit Soldaten gefüllt werden?
Mechthilde Wittmann: „Das wäre nun wirklich zu früh, hier etwas zu sagen. Ich glaube wir sollten uns jetzt ganz massiv darauf konzentrieren, dass auf keinen Fall weiteres Personal abgezogen werden darf. Ich nenne hier nur das Brandschutzzentrum Sonthofen, wo wir mit großer Kraft kämpfen, dass es erhalten bleibt. Ich persönlich bin der Ansicht, dass wir hier eher aufstocken müssen als Personal zu reduzieren. Ich werde mich sicherlich dafür einsetzen, dass die Bundeswehr, die bei uns im Allgäu eine hohe Akzeptanz findet auf Grund ihrer Leistung und der Einstellung der jungen Frauen und Männer, die dort ihren Dienst leisten, ihren Platz behält und gegebenenfalls auch wieder mehr Platz findet.“
Am Standort Sonthofen befindet sich neben der Sportschule der Bundeswehr und dem Brandschutzzentrum auch die Schule ABC-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben. Hier lernen Soldaten den Umgang mit und die Verteidigung vor atomaren, biologischen und chemischen Waffen. Nach den Drohungen Putins also ein extrem wichtiger Teil der Bundeswehr. Wie stehen die Chancen, dass der Standort Sonthofen wieder ausgebaut wird und zumindest wieder mehr Lehrgangsteilnehmer nach Sonthofen kommen?
Mechthilde Wittmann: „Da kann ich auch nicht vorgreifen. Ich habe dazu leider im Moment keine Kenntnis. Ich werde mich aber sehr dafür einsetzen, dass die Bundeswehr im Allgäu bleibt.“
Sonthofen steht zur Bundeswehr
Sonthofens 1. Bürgermeister Christian Wilhelm äußerte sich auch in einem Statement gegenüber AllgäuHIT zur Situation der Bundeswehr in Sonthofen: „Sonthofen ist seit mehr als einem Jahrhundert Garnisonsstadt, mit bis heute enger Verbindung zur Bundeswehr. Die Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Bundeswehr haben Sonthofen in den vergangenen Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Wir sind allerdings sehr froh, dass der Bund bereits heute in der GOB-Kaserne massiv in den Standort Sonthofen investiert. Die beiden stadtnahen Jäger- und Grüntenkaserne sind auch noch in Betrieb und könnten – unserem Verständnis nach – für eine weitere Entwicklung der Bundeswehr zur Verfügung stehen. Sollte aufgrund der Erhöhung des Verteidigungsetats neben der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen auch in den Ausbau dieser beiden Kasernen investiert werden, stehen wir auch hier als verlässlicher Partner zur Seite.“
Geschrieben von: Redaktion