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Wie konnte es zu den umfangreichen Baumaßnahmen im Rappenalptal bei Oberstdorf im Allgäu kommen, bei dem ein Wildbach im höchsten Naturschutzgebiet auf rund 1,6 Kilometern begradigt wurde? Diese Frage zu beantworten ist inzwischen Aufgabe der Staatsanwaltschaft in Kempten. Aber: war vielleicht alles nur ein Missverständnis?
Der Umweltskandal rund um den Rappenalpbach bei Oberstdorf zieht immer weitere Kreise. Die Regierung von Schwaben ist inzwischen für die Aufarbeitung verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft Kempten ermittelt nach einer Anzeige. Die Kripo Kempten hat eine Ermittlungsgruppe zu dem Fall eingerichtet, inzwischen fanden auch bereits Durchsuchungen bei einem der Verantwortlichen der Alpgenossenschaft statt sowie bei einer Baufirma aus Oberstdorf als Zeuge. Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber war vergangene Woche vor Ort und versprach eine Aufklärung der Vorkommnisse und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, auch die bayerische Staatsregierung hat auf Antrag eine lückenlose Aufklärung versprochen.
Landratsamt: Es gab keine Baugenehmigung
Eines ist klar: Es gab weder einen Antrag auf so umfassende Baumaßnahmen von Seiten der Alpgenossenschaft und schon gar keine Baugenehmigung. Das betont Franziska Springer, Sprecherin des Landratsamtes Oberallgäu, im Gespräch mit AllgäuHIT.
"Man muss unterscheiden zwischen Gewässerpflegemaßnahmen und Gewässerausbaumaßnahmen, das ist ein wichtiger Unterschied", sagt Franziska Springer. Sie erklärt, dass Maßnahmen zur Gewässerpflege bzw. zum Gewässerunterhalt etwas ganz Normales sind. Sie dienen dem Zweck, dass das Gewässer in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt, also nicht durch beispielsweise Geröll oder Kies in seinem Fluss behindert wird. Maßnahmen zur Gewässerpflege seien ein normaler Vorgang und auch im Naturschutzgebiet nichts Besonderes.
Und genau um solche Maßnahmen zur Gewässerpflege ist es bei einer Vor-Ort-Begehung des Wildbaches gegangen. Nach dem Schlagwetterereignis im August, infolgedessen sich im Bachbett vermehrt Kies und Geröll befunden hat, habe sich die Alpgenossenschaft bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes gemeldet und gesagt, "Wir brauchen hier Hilfe, könnt ihr vorbeikommen und das mit uns besprechen?" Daraufhin sei ein Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde nach Oberstdorf ins Rappenalptal gefahren und habe sich mit Angehörigen der Alpgenossenschaft getroffen. Gemeinsam sei man den Bach abgelaufen und habe dort detailliert besprochen, welche Maßnahmen nötig seien, um dem Gewässer die ursprüngliche Form wieder zu geben. "Der Mitarbeiter hat an vier Stellen gesagt, hier könnt ihr dieses oder jenes tun, um das Gewässer und damit den Bachlauf zu schützen!", erläutert die Sprecherin des Landratsamtes.
Für solche Gewässerpflegemaßnahmen benötigt man keinen Antrag und keine Genehmigung, hier reicht das beschriebene Beratungsgespräch, bei welchem dezidiert besprochen wird, was gemacht werden kann. Auch hier sei es nicht immer so, dass man nur eine Schaufel brauche, so die Pressesprecherin. Es sei durchaus möglich, dass man zum Abtragen von angeschwemmten Kies oder zum Abtragen von Kiesbergen einen Bagger brauche.
Allerdings, sagt Springer: "Es ist halt eine Baumaßnahme geworden ohne unsere Kenntnis, die hat das Ausmaß eines Gewässerausbaus angenommen. Dafür hätte man einen Antrag gebraucht und eben eine Baugenehmigung. Eine Baugenehmigung füllt in so einem Fall ganze Ordner: es müssen Gutachten erstellt werden, naturschutzrechtliche Gutachten, Bausachverständigengutachten, wasserwirtschaftliche Gutachten und so weiter. Das ist jetzt nicht nur ein Blatt auf dem steht, Sie dürfen das machen. So etwas wäre in diesem Fall auch gar nicht genehmigungsfähig gewesen, aber es hat ja nicht einmal einen Antrag für die Baumaßnahmen gegeben!"
Alles nur ein Missverständnis?
Bereits mehrfach hat Landrätin Indra Baier-Müller betont, dass das Landratsamt, sobald es Kenntnis über die umfangreichen Baumaßnahmen im Rappenalptal erlangt hat, einen sofortigen Baustopp angeordnet hat. Dass die Anweisungen und Tipps von Seiten der Unteren Naturschutzbehörde während der Vor-Ort-Begehung falsch verstanden wurden und die Verantwortlichen für ihre Baumaßnahmen grünes Licht sahen, kann man sich im Landratsamt kaum vorstellen. Es hat weder regen E-Mail-Verkehr noch sonstige Dokumente bzw. Anträge und schon gar keine Bewilligungen gegeben.
Die Aufarbeitung dürfte also noch etwas andauern. Ein Stück Natur und Lebensraum für seltene Tiere ist auf jeden Fall unwiederbringlich verloren, sagt der Bund Naturschutz.
Nun gilt es, neben der Suche nach den Verantwortlichen auch Wege zu finden, die Renaturierung im Rappenalptal, einem "Juwel", wie Umweltminister Glauber vor Ort betonte, zu schaffen.
Der Umweltskandal lässt auch den Landtagsabgeordneten der Freien Wähler, Alexander Hold, nicht kalt: "Ich war heuer im Sommer selber im Rappenalptal und war begeistert, wie es dort aussieht. Wenn man sieht, wie es jetzt dort aussieht – es ist wirklich ein nicht nachvollziehbarer Frevel. Ich kann mir nicht vorstellen, was denjenigen die das getan haben oder das veranlasst haben, im Kopf vorgegangen ist. Es ist nur noch traurig und schäbig, was da passiert ist. Auf 1,6 Kilometer ist jetzt der Bach tot, und das Leben, das dort im Bach war ist tot. Man wird jetzt die Verantwortlich finden müssen, die Staatsanwaltschaft Kempten arbeitet da zum Glück schnell und produktiv, und ich bin guten Mutes, dass sie letzten Endes zur Rechenschaft gezogen werden. Und wir werden definitiv dafür sorgen dass das alles wieder hergerichtet wird, auch wenn es Jahre dauern wird, und dass die Verantwortlichen die Kosten übernehmen!"
Hintergründe
Geschrieben von: Redaktion