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Panorama

Wachstum durch Verschleiß – Die Wahrheit über geplante Obsoleszen

today19. Januar 2022 8

Hintergrund
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Ob Gebrauchsgegenstände wie Möbel und Kleidung oder technische Errungenschaften wie Gebäude und Geräte – alles unterliegt Verschleiß-Erscheinungen. Doch was "in der guten alten Zeit" hergestellt worden ist, scheint langlebiger zu sein als heute entstehende Produkte. Angeblich ist dieses Phänomen einem System geschuldet, das die Abnutzung von Erzeugnissen beschleunigt. Es soll bewusst in moderne Fertigungs-Prozesse integriert sein, um den Verkauf von Waren anzuregen. Ob diese Behauptung stimmt, erläutern wir hier:

Geplante Obsoleszenz – Versuch einer Definition
Unabhängig davon, dass Güter früher in solider Handarbeit entstanden und sehr pfleglich behandelt wurden, kennt die Wirtschaft tatsächlich ein System, das den schnellen Verschleiß begünstigt: die geplante Obsoleszenz. Diese Bezeichnung enthält das lateinische Wort "obsolescere" – das so viel bedeutet wie "Wert verlieren" oder "alt werden".

Als mutwillig herbeigeführter Vorgang umschreibt es die gezielte Abnutzung eines ganzen Artikels oder einzelner Bauteile. Anders als Schäden wie sie zum Beispiel durch mangelnde Pflege oder unsachgemäßen Gebrauch entstehen, lässt sich ein Verschleiß obsoleter Erzeugnisse kaum vermeiden – denn die "Sollbruchstelle" ist von vornherein eingeplant.

Das erklärt, inwiefern sich Verbraucher:innen eine Garantie-Verlängerung kaufen können: Gegen einen gewissen Aufpreis erweitert sich das Qualitätsversprechen auf ein, zwei oder noch mehr Jahre – weil das Bauteil, das den geplanten Defekt herbei führt, gegen ein längerlebiges Modell ausgetauscht wird.

Doch warum machen Hersteller das, wie setzen sie es um und vor allem: wer hat's erfunden? Antworten darauf liefern die folgenden Abschnitte über die Geschichte, die Methodik und die Folgen des gezielten Verschleißes. Anschließend erläutern wir die Möglichkeiten, das Fortbestehen geplanter Obsoleszenz einzudämmen.

Die "Erfindung" der geplanten Obsoleszenz
Angeblich basiert der geplante Werte-Verfall auf einer Idee führender Glühlampen-Hersteller. Sie sollen sich 1924 zusammengeschlossen haben, um die vorher unbegrenzte Brenndauer ihrer Produkte auf ein weltweit geltendes Maß zu beschränken. Bei nur 1.000 Stunden würden Glühlampen regelmäßig ersetzt werden müssen – und könnten die Produktions-Gewinne um ein Vielfaches steigern.

Allerdings wurden Strategien zum geplanten Verschleiß schon deutlich früher beschrieben: 1920 vermerkte John M. Dobson in seiner Historical Encyclopedia of American Business Concepts, dass "General Motors" jährlich Änderungen an der Konstruktion seiner Automobile vornimmt, um Kund:innen zu bewegen sich regelmäßig neue Modelle anzuschaffen. Damit ließe sich das Verfahren dem seinerzeit amtierenden Werks-Präsidenten Alfred P. Sloan zuschreiben.

Benennung und Weiterentwicklung
Eine konkrete Bezeichnung für das so etablierte Wirtschaftswunder gab es jedoch noch nicht. Bis 1932 blieb die Strategie, den Nachkauf von Waren durch Verschleiß oder Weiterentwicklung anzuregen, namenlos. Erst Bernard London (er-)fand mit seinem Werk Ending the Depression Through Planned Obsolescence einen Begriff für den herbeigeführten Werte-Verfall.

Das nunmehr benannte System entwickelte sich rasend schnell weiter: Einfacher werdende Herstellungs-Verfahren und neu erfundene Materialien verschafften der geplanten Obsoleszenz einen kometenhaften Aufstieg. Da viele Erzeuger zunehmend schneller und immer kostengünstiger produzieren konnten, verloren ihre Güter sowohl an materiellem wie an ideellem Wert. Dadurch wurde es Kund:innen leicht(er) gemacht, beschädigte, aus der Mode gekommene oder unansehnlich gewordene Artikel zu entsorgten bzw. nachzukaufen.

Die Erscheinungsformen geplanter Obsoleszenz
Um das System aus Absatz und Gewinn ins Rollen zu bringen, zu beschleunigen bzw. am Laufen zu halten, bedienen sich Hersteller verschiedener Methoden

Geplante Obsoleszenz durch eingeschränkte oder gestörte Funktion
Der Einsatz minderwertiger Werkstoffe, die Montage begrenzt haltbarer Elemente und/oder bewusst sensible Verbindungen sorgen dafür, dass einige oder alle Teile eines Produktes ihre Funktionalität verlieren. Manche der "eingebauten" Schäden sind so geringfügig, dass ihnen nur Fachpersonal auf die Spur kommt.

Obsoleszenz durch unverhältnismäßig hohe Reparatur-Aufwendungen bzw. -Kosten oder gänzlich fehlenden Reparatur-Service
Indem Ersatzteile nur mit hohem organisatorischen oder finanziellen Aufwand zu beschaffen sind, wird die Reparatur von Artikeln unwirtschaftlich gemacht. Eine andere Variante dieser Methode ist, die obsoleten Bauteile untrennbar mit dem reparaturbedürftigen Produkt zu verbinden – sodass Instandsetzen oder Austauschen unmöglich ist.

Eingeschränkte Kompatibilität
Vor allem im technischen Bereich werden Artikel so konzipiert, dass sie sich weder mit anderen Geräten noch mit deren Zubehör verbinden lassen. Um das Leistungs-Spektrum der Produkte voll ausschöpfen zu können, müssen passende Überbrückungs-Kabel, Aufsätze oder ähnliches hinzugekauft werden.

Geplante Obsoleszenz durch eingeschränkte Nutzungsfähigkeit
Eine ebenso beliebte Erscheinung geplanter Obsoleszenz ist, die vollständige Entleerung der Produkt-Verpackung zu verhindern. Besonders bei Lebensmitteln und Kosmetika werden die Öffnungen bzw. Entnahmemöglichkeiten so gestaltet, dass stets ein nicht nutzbarer Rest im Fläschchen, Döschen oder Tübchen verbleibt.

Missempfinden als Masche
Ein besonders perfider Trick ist künstlich erzeugte Inakzeptanz. Hier bleibt zwar die Funktionsfähigkeit der Produkte erhalten; doch es kommen andere Störfaktoren ins Spiel. Um die Attraktivität oder Popularität eines Artikels zu mindern, lässt der Glanz von Oberflächen nach oder es vermindert sich die Griffigkeit. Auch die Möglichkeit, Updates zu machen kann eingeschränkt sein, sodass ein eigentlich noch intaktes Gerät durch Nachfolge-Modelle ersetzt werden muss.

Die Folgen geplanter Obsoleszenz
Alle aufgeführten Varianten veranlassen Kund:innen zum Kauf neuer oder anderer Produkte- und liefern der Wirtschaft damit starke Argumente, das System "geplante Obsoleszenz" aufrecht zu halten. Aus Sicht der Hersteller dient sie dazu,

– Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten
– die Produkt-Vielfalt zu fördern
– die Konkurrenz-Fähigkeit zu erhöhen

Das sind durchaus positive Aspekte. Sie können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Werte-Verfall auch negative Folgen hat. Auf der Minus-Seite der Bilanz stehen

– knapper werdende bzw. vollständig aufgebrauchte Ressourcen
– erhöhter Strombedarf bzw. -verbrauch
– zunehmende Luft- und Gewässer-Verschmutzung
– weiter wachsende Müllberge

Der Kampf gegen absichtlichen Verfall
Doch nicht nur die Umwelt und die Rohstoff-Vorkommen leiden – auch Verbraucher:innen sehen sich zunehmend getäuscht. Viele fühlen sich durch das künstlich herbeigeführte Altern beim Einkaufen betrogen – und holen zum Gegenschlag aus. Um das Fortbestehen geplanter Obsoleszenz zu boykottieren, greifen zahlreiche Bürger:innen zu einer Art Selbstjustiz, indem sie

– Neukäufe verweigern
– die Hersteller obsoleter Produkte und die Erzeugnisse selbst öffentlich nennen

– notwendige Reparaturen selbst ausführen – geringfügige Abnutzungserscheinungen tolerieren

Die ersten beiden Punkte können langfristig dabei helfen, Hersteller in ihre Schranken zu verweisen und die geplante Obsoleszenz zu bekämpfen. Doch was ist, wenn ohne Vorwarnung ein wichtiges Gerät nicht mehr funktioniert, dass dringend   gebraucht wird?

Sollte die Garantie bereits abgelaufen sein, kommen Verbraucher nicht drumherum, selbst tätig zu werden – was in vielen Fällen einfacher ist, als man es sich zunächst vorstellt. Mit der richtigen Anleitung ist es auch für Laien möglich, selbst komplexe technische Geräte wie die Waschmaschine wieder in Stand zu setzen – denn dieser Ausfall kann im Haushaltsalltag zu einem echten Problem werden.

Durch die Analyse der Fehlermeldungen und einem Blick ins Handbuch sowie der Recherche in Verbraucherforen im Internet lassen sich bereits wichtige Erkenntnisse gewinnen. Die können dabei helfen, dem Fehler auf die Spur zu kommen. Anhand dieser Informationen kann das Problem entweder selbst behoben oder aber zumindest ein genauer Reparaturauftrag erstellt werden.

Geplante Obsoleszenz publik machen
Das soll ein öffentliches Bewusstsein schaffen und Händler:innen veranlassen, den Ein- bzw. (Weiter-) Verkauf manipulierter Waren abzulehnen – sodass Produzent:innen gezwungen werden, ihre Fertigungsprozesse umzustellen. Ob dieses Vorgehen Erfolg hat, wird sich erst langfristig zeigen – denn allzu lange ist das System noch nicht publik. Es ist erst vor wenigen Jahren ins Kunden-Bewusstsein gedrungen und galt zunächst als Finte.

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Geschrieben von: Redaktion

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