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„Rund um“ in Lindau am Bodensee: Ein Segelrennen mit Tradition und Flair Thomas Häuslinger
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Mit dem Winter kommen nicht nur tiefere Temperaturen sondern auch höhere Coronazahlen. Die steigenden Zahlen wirken sich besonders auf die Krankenhäuser aus. Dabei hat das Krankenhaus mit Bettenbelegung, Isolationsstationen und Überarbeitung zu tun. Zusätzlich wirkt sich das Impf- und Sozialverhalten der Bevölkerung auf die Krankenhäuser aus. Zu diesen Themen hat sich AllgäuHIT mit Florian Leier, Pflegedienstleiter der Klinik in Immenstadt, im Sonntalk unterhalten.
Herr Leier, wir unterhalten uns gleich darüber, wie es momentan aussieht in der Klinik Immenstadt in Sachen Pflege und natürlich auch in Hinblick auf Corona. Nicht jeden hat Einblick in den Beruf eines Pflegedienstleiters. Deshalb die Frage: was macht ein Pflegedienstleiter genau?
Florian Leier: „Ein Bereichspflegedienstleiter ist eine übergeordnete Stelle. Er koordiniert die Stationen, also die normalen Stationen, auf denen man liegt, wenn man nicht schwerer krank ist. Sonst kommt man natürlich in der Regel auf die Intensivstation oder auf sonstige Überwachungsstationen. Im Prinzip bin ich der Kopf dieser ganzen Truppen, habe aber Bereichsleiter unter mir, diese Bereichsleiter leiten ihren Bereich selbstständig und ich bin im Hintergrund, wenn sie nicht mehr weiterkommen, wenn es einer größeren Koordinierung bedarf. Für diese Bereiche gibt es mich. Wenn sie Unterstützung brauchen, dann bin ich da und kümmere mich um eben übergeordnete Probleme.“
Wie viele beschäftigte Pflegekräfte hat das Klinikum jetzt momentan in Immenstadt?
Florian Leier: „Momentan haben wir 250 Mitarbeiter, davon 170 Voll-Kräfte in Immenstadt.“
Das ist ja eine ganze Menge und damit auch eine große Verantwortung, die man als Pflegedienstleitung hat, oder?
Florian Leier: „Ja, durchaus. Also noch mal kurz zur Zahl zurück, diese 250 Menschen ergeben sich einfach aus vielen Teilzeitmitarbeitern. Es arbeiten in der Pflege nach wie vor viele Frauen, die Familie zu Hause haben und deshalb nicht voll arbeiten.“
Sind die Pflegekräfte, die Sie unter sich haben, alle examiniert, wie es so schön heißt?
Florian Leier: „Es ist tatsächlich so, dass wir sehr, sehr viele Gesundheits- und Krankenpflegekräfte haben. In Zukunft wird der Beruf Pflege-Fachmann und Pflege-Fachfrau heißen. Aber wir haben einen Personalmix. Wir haben auch Pflegehelfer, die eine einjährige Ausbildung machen und uns unterstützen, die dann den Pflegefachkräften zur Seite stehen und mit denen zusammen in einem Team arbeiten. Für viele besteht auch die Möglichkeit, dass sie sich noch mal weiterbilden, also verkürzt noch mal zwei Jahre die Ausbildung zum Pflege-Fachmann, zur Pflege-Fachfrau machen und dann eben auch als Pflegefachkraft eingesetzt werden können. Wir haben aber auch medizinische Fachangestellte in der Klinik in manchen Bereichen im Einsatz. Und zum Beispiel Notfallsanitäter – also einen guten Mix und aus allen Bereichen des medizinischen Personals.“
Wie sieht jetzt so ein Arbeitstag bei den Pflegekräften aus? Also gerade die Arbeitszeiten, aber auch die verschiedenen Bereiche?
Florian Leier: „Also in der Regel ist es so, dass wir im Drei-Schichtensystem arbeiten. Das heißt, wir fangen in der Früh um 6 an. Zu diesem Zeitpunkt übernimmt der Frühdienst vom Nachtdienst die Schicht. Dann wird eine Übergabe gemacht, das heißt, der Nachtdienst informiert: Was ist in der Nacht passiert? Wo gab es Veränderungen? Ist ein Patient wegverlegt worden? Auch mal Richtung Intensivstation? Je nachdem wird die weitere Behandlung festgelegt. Dann gibt es einen Durchgang in der Früh, wo die Patienten begrüßt werden und dann werden medizinische Maßnahmen vorgenommen.
Das heißt, es werden die Temperaturen bei den Patienten kontrolliert, Blutdruck gemessen, Puls genommen und die ersten Medikamente werden verabreicht. Danach kommt dann in der Regel die Unterstützung für die Patienten, also das, was sich die meisten unter Pflege vorstellen. Dass man die Patienten bei der Körperpflege unterstützt, wo sie eben Bedarf haben.
Im Verlauf des Vormittags findet dann die ärztliche Visite bei den Patienten statt, die von uns in der Regel, wenn es möglich ist, begleitet wird. Da werden dann neue Maßnahmen für den Tag geplant, zum Beispiel eine Blutabnahme. Das Pflegepersonal setzt die ärztlichen Anweisungen um, muss dann beispielsweise auch die Blutabnahme vorbereiten. In der Mittagszeit wird es für die Frühschicht dann erst mal etwas ruhiger, da die Patienten erst mal essen.
Der Spätdienst beginnt seine Schicht dann meistens um 14 Uhr. Der Ablauf ist dem der Frühschicht ähnlich, nach der Übergabe macht der Spätdienst seinen Durchgang durch die Station, misst gegebenenfalls nochmal Blutdruck oder ähnliches. Nur dass eben keine ärztliche Visite mehr stattfindet. Das Pflegepersonal versorgt dann die Patienten. Nachmittags finden viele Untersuchungen für die Patienten statt, beispielsweise eine Ultraschalldiagnostik. Dann wird es auch schon wieder Abend und es gibt Abendessen. Danach werden die Patienten wieder ins Bett mobilisiert, wenn sie nicht selber ins Bett kommen können. Das machen dann die Kollegen auch wieder und dann wird wieder an den Nachtdienst übergeben.“
Wir haben momentan eine Pandemie, die uns schon fast seit zwei Jahren begleitet. Jetzt steigen ja die Infektionen momentan immer weiter an, gerade das Oberallgäu ist ja derzeit weit vorn in der Statistik. Wie wirkt sich das Ganze jetzt auf Ihre tägliche Arbeit aus?
Florian Leier: „Naja, unsere tägliche Arbeit ist natürlich deutlich verändert, anders als es noch im Sommer war. Im Sommer hatten wir weitestgehend Normalbetrieb. Die letzten drei Wochen haben wir uns nun wieder sehr massiv auf Corona einstellen müssen. Der Bereich für Corona-Patienten wurde wieder erweitert, außerdem wurden im Klinikum unter anderem Standardoperationen wie beipielsweise Meniskusoperationen wieder verschoben. Wir nennen das Selektivprogramm – wenn der Patient keinen Schaden nimmt durch eine verschobene Operationen wird die OP in ruhigere Zeiten verschoben. Alle dringend nötigen Operationen, ohne die der Patient einen Schaden erleiden würde, werden weiter sofort durchgeführt. Hier haben die Kliniken eine Daseins- und Fürsorgepflicht gegenüber den Bürgern.
Wir haben derzeit eine kontinuierliche Zunahme an Corona-Fällen in der Klinik, auf der Intensivstation ebenso wie auf der Normalstation.
Jetzt werden ja meistens nur die Intensivplätze verglichen, aber auch im Normalbereich ist bei Ihnen so einiges los kann man sagen, oder?
Florian Leier: „Ja, das ist durchaus richtig. Zuletzt hatten wir mal eine Statistik erhoben. Wir sind insgesamt über alle Häuser mit dem Unterallgäu zusammen eigentlich bei einem neuen Höchststand an Corona-Patienten angelangt. Das führt dazu, dass auch Häuser wie Ottobeuren, die wir in den letzten drei Wellen aus der Coronaversorgung rausnehmen konnten, weil die einfach die Infrastruktur nicht hatten, wieder reinnehmen müssen. Dort war die Intensivstation im Umbau, die haben dann eben nicht an der Corona-Versorgung teilgenommen. Das haben wir so geschultert.
Im Moment sieht es so aus, dass wir es eben so nicht mehr hinkriegen. Also werden wir auch noch mal die Kapazitäten im südlichen Oberallgäu erweitern. Da gibt es ja Pläne wie das aussehen könnte, dass wir eben auch zum Beispiel an der Klinik Oberstdorf überlegen, einen Bereich für Corona-Patienten zu etablieren.“
Okay, wie sieht es momentan aus, die „Querdenker“ sagen ja, zum Beispiel „die Geimpften trifft es genauso wie die Ungeimpften“. Können Sie das bestätigen? Wie sieht es bei Ihnen direkt in der Klinik aus?
Florian Leier: „Na ja, wir verzeichnen schon einen gewissen Prozentsatz an Patienten, die geimpft sind und trotzdem erkranken. Wobei, davon hat ja nie jemand gesprochen. Es war ja nie die Rede davon, dass jemand, der geimpft ist, nicht auch krank werden kann. Wir kennen das auch von anderen Krankheiten. Masern zum Beispiel. Da passiert es auch immer wieder, dass Menschen geimpft sind und trotzdem erkranken. Das Gute dabei ist, dass das in der Regel keine schweren Verläufe sind, das muss man ganz klar sagen. Diese Menschen, die jetzt mit der Impfung erkranken, die haben halt sehr, sehr leichte Symptome und müssen in der Regel auch nicht auf die Intensivstation.“
Wenn man bei Null anfängt, also eine Ausbildung macht, kriegt man dort schon so eine Art Notfallplan mit, falls mal eine Pandemie kommt? Oder ist es alles von Null auf Hundert selbst entwickelt worden?
Florian Leier: „Ja, tatsächlich ist es so, dass es das man in der in der Grundausbildung beim Thema Hygiene immer wieder von vergangenen Pandemien von vor über 100 Jahren hört. Ganz klar, das ist schon ein Thema, aber das zählt mehr zur Geschichte in der Ausbildung. So richtig vorstellen konnte und wollte sich wahrscheinlich keiner, dass es uns in der Jetztzeit auch irgendwann mal noch treffen wird.
Wir kennen das natürlich mit verschiedenen schwerwiegenden Erkrankungen aus anderen Ländern. Beispielsweise ist Ebola zum Beispiel in Afrika immer wieder ein Problem. Bei uns war man eigentlich glaube ich, bis dato immer der Meinung, dass es uns nicht so richtig trifft. Da sind wir jetzt eines Besseren belehrt worden. Grobe Strukturen für den Fall einer Pandemie sind immer da, weil man so was im Hinterkopf haben musste. Aber so richtig gelebt hat man das nie. Das ist wie mit einem Brandschutzplan. Man geht immer davon aus, dass man den nie braucht und es ist gut, wenn er dann funktioniert.
Bei uns hat er überwiegend auch funktioniert. Wir haben uns natürlich auf die Situation dann auch weiterhin einstellen müssen und haben speziell bei Corona andere Maßnahmen ergriffen, die einfach jetzt über die ganze Zeit gewachsen sind und die sich gut etabliert haben. Da muss ich auch ein großes Lob an meine Teams und an die Teams im ganzen Klinikverbund aussprechen, dass die Mitarbeiter das so gut weggesteckt haben.“
2014 grassierte Ebola in Afrika, das hatte man schon immer so im Hinterkopf. Da gab es ja auch schreckliche Bilder vor Ort. Was wäre, wenn es zu uns kommen würde? Jetzt ist aber Covid19 definitiv bei uns angekommen. Was glauben Sie, warum wir es so nicht aufhalten konnten? Lag es einfach am Unverständnis der Leute, dass die gesagt haben "wir haben da kein Bock da mitzumachen" oder, weil eben diese Delta-Variante so aggressiv ist?
Florian Leier: „Na gut, wir kämpfen ja über viele Jahre schon immer mit Atemwegserkrankungen, wenn ich an die Influenza erinnern darf. Das ist auch etwas, was sich über die Jahre jedes Jahr durchzieht. Das ist für uns insofern jetzt nichts Ungewohntes. Meistens ist es aber so, dass es sich natürlich dann irgendwie über den Winter abspielt und selbst ausläuft. Wir kannten auch diese Corona-ähnlichen Viren, MERS, SARS, das war auch immer wieder ein Thema. Aber bis jetzt war es halt immer so, dass scheinbar keiner dieser Erreger bzw. diese Viren sich so gut etablieren konnte. Und die Globalisierung und das weltweite Reisen haben natürlich ihr Übriges zur schnellen Verbreitung getan.“
Herr Leier, man hört ja immer in Verbindung mit der Intensivstation und Covid19 den Begriff ECMO. Für was steht denn diese Abkürzung? Was ist es genau?
Florian Leier: „Ein ECMO ist ein Gerät, das die Arbeit der Lunge ersetzt. Viele kennen die sogenannte Herz-Lungen-Maschine, die vor allem bei Herz-OPs eingesetzt wird. Da wird das Herz außer Betrieb genommen und durch die Maschine ersetzt. Und so muss man es sich bei der ECMO auch ein bisschen vorstellen. Die Lunge wird von einem Gerät ersetzt, um der Lunge eine Heilungschance zu geben. Das heißt, die Lunge wird komplett entlastet und kann dann schneller regenerieren.“
Also ist der Patient die ganze Zeit daran angeschlossen und die Lunge sorgt sich nur um sich selbst in dem Moment?
Florian Leier: „So könnte man es vereinfacht sagen.“
Wie viele ECMOs haben Sie denn momentan im Einsatz? Oder wie viele Geräte sind schon vor der Pandemie dort eingesetzt worden?
Florian Leier: „Wir haben eine ECMO-Konsole bei uns an der Klinik in Immenstadt. In Kempten zum Beispiel gibt es keine. Die hatten wir auch schon weit vorher, weil wir uns dahingehend spezialisieren wollten, dieses Lungenersatz-Verfahren anzubieten. Das ist deutschlandweit sicher nicht weit verbreitet. Die Plätze sind rar und in der Regel findet man solche ECMOs an größeren Zentren, zum Beispiel an Unkliniken. Da haben wir schon ein tolles Alleinstellungsmerkmal.
Allerdings ist der Pflegeaufwand bei einem Patienten, der an ein ECMO angeschlossen ist, um einiges höher. Die Patienten brauchen eine noch engmaschigere Betreuung als "normale" Intensivpatienten, hier ist der Schlüssel eins zu eins – also eine Pflegekraft nur für den einen Patienten. Und da muss man sagen das ist schon was Tolles, was wir anbieten können. Wir sind froh, dass wir das haben.“
Angenommen, jemand hat jetzt Corona, wird zum Beispiel mit dem Rettungsdienst eingeliefert oder kommt auch von selber bei Ihnen in die Klinik – Wie ist da der normale Ablauf? Was wird denn da genau festgestellt? Wie wird das Ganze untersucht?
Florian Leier: „Also in der Regel ist es momentan so, dass die Patienten direkt über die Notaufnahmen kommen. Es gibt Patienten, bei denen schon vorher bekannt war, dass sie Covid-positiv sind, die aber erst mal vom Hausarzt in die Häuslichkeit entlassen werden konnten. Das heißt, sie haben sich zu Hause selbst versorgt. In der Regel ist es häufig so, dass bis zum zehnten Tag eine Verschlechterung stattfindet und dann die Patienten hospitalisiert werden müssen, also im Krankenhaus versorgt werden müssen.
Die Diagnose ist derzeit bei den meisten Patienten bereits bekannt, das heißt, wir können uns schon im Vorfeld darauf einstellen, können die Patienten dann auch sofort in der Notaufnahme isolieren. Sie kommen dann dort in ein Einzelzimmer, die üblichen Schutzmaßnahmen werden vollzogen, und die Patienten werden dann von uns versorgt.
Im Sommer mussten wir natürlich auch immer wieder mit Corona-Patienten rechnen. Da war es ein bisschen anspruchsvoller, weil die Diagnose bei vielen eben nicht bekannt war. Es gab immer wieder Einzelfälle zwischendurch. Wir haben eine Point of Care Diagnostik, das heißt, wir haben die Möglichkeit, direkt im Klinikum in geringem Maße labortechnische Untersuchungen durchzuführen, PCR-Tests müssen nicht erst in ein großes Labor zur Auswertung geschickt werden. Das ist ein gutes Tool. Wir haben sehr viel mit Antigen-Schnelltests gearbeitet und wenn der angeschlagen hat, haben wir einen PCR-Test gemacht und den in die Point of Care geschickt, um Gewissheit zu haben. Das war natürlich für die Mitarbeiter über den Sommer sehr anspruchsvoll, weil natürlich deutlich weniger Corona Fälle da waren, aber wir trotzdem bei allen, die irgendwo Anzeichen hatten wie Husten, geprüft haben.“
Also ein großer Notfall dürfte jetzt aber momentan nicht dazwischen kommen, oder? Zum Beispiel ein großer Unfall mit mehreren Schwerverletzten oder so, oder haben Sie da trotzdem noch Kapazitäten?
Florian Leier: „Wir haben auf jeden Fall die Kapazitäten momentan, das muss man tatsächlich sagen. Ich glaube auch, dass in der Bevölkerung zuletzt wieder ein bisschen Umdenken stattgefunden hat. Ich glaube, dass das, was man in der ersten Welle über die Politik kommuniziert hatte, die Leute sollen wirklich auch versuchen, irgendwie Risiko-Sportarten zu vermeiden, jetzt vielleicht auch wieder praktiziert wird. Vielleicht ist es jetzt auch gerade die Zeit, die es wieder hergibt. Im Herbst ist natürlich nicht so viel mit Bergtourismus los und Gleitschirmfliegen ist jetzt nicht mehr ganz so in. Die Motorradfahrer sind weg. Von dem her haben die Notaufnahmen da noch Kapazitäten.
Man muss sich das mit den Corona-Patienten tatsächlich so vorstellen: Das ist nicht so, dass es einen Schlag tut und auf einmal ist die ganze Notaufnahme voll, sondern es tröpfelt so vor sich hin. Da kommen wieder welche, die muss man abklären. Manche gehen auch aus der Notaufnahme wieder nach Hause. Das heißt, das ist jetzt nicht so, dass die ganze Notaufnahme komplett voll ist, nur mit Corona-Patienten. Und wir können unser Tagesgeschäft und unser übliches Geschäft durchaus auch abwickeln. Das ist kein Problem. Auch einen größeren Unfall könnten wir momentan mit Sicherheit irgendwie abwickeln.“
Aber wie viele dürften jetzt noch dazukommen?
Florian Leier: „Naja, im Prinzip muss man sagen, wir sind laufend dran, irgendetwas zu ändern. Wir sind laufend dran im Tagesgeschäft, umzuplanen, Betten hin und her zu planen, mehr Corona Betten aufzumachen, wie ich es ja vorher schon mal gesagt hatte. Wir erweitern die Bereiche. Ich weiß nicht, ob man einen Punkt definieren kann, wo es dann endgültig gar nicht mehr geht. Das ist glaube ich, aus der Not heraus gemacht. Die Leute sind alle belastet. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt so, dass wir einfach sehr, sehr gut mit Corona belegt sind.
Für die Mitarbeiter auf der Station und auch auf der Intensivstation ist es eine Herausforderung. Die sind den ganzen Tag in ihren Schutzkitteln unterwegs. Diese Kittel sind wasser-, also flüssigkeitendicht. Die Mitarbeiter schwitzen. Das ist eine Herausforderung. Die Mitarbeiter sind am Limit, das muss man schon sagen. Aber wir sind uns natürlich unseres Auftrags bewusst, dass wir so noch weiter gehen müssen. Wenn es nicht mehr geht, müssen wir immer noch weiterarbeiten, das werden wir sicher auch irgendwie hinkriegen.“
Und wir jammern, weil wir manchmal zwei Mal für zehn Minuten beim Einkaufen eine Maske anziehen müssen.
Florian Leier: „Ja, tatsächlich muss man sagen, da wird den Mitarbeitern wirklich viel, viel abverlangt. Über Monate jetzt schon. In der Patientenversorgung sind wir von der FFP2-Maske nie abgewichen, das muss man ganz klar sagen für die Mitarbeiter. In der Verwaltung, wenn die im Haus unterwegs waren, konnten wir das mal ein bisschen runterskalieren, da war dann auch mal ein normaler medizinischer Mund-Nasen-Schutz machbar. Aber bei den Mitarbeitern, die im Patientenkontakt stehen, war die FFP2-Maske nie weg. Und auch da wieder Hut ab, dass die Mitarbeiter das jetzt über so einen langen Zeitraum wirklich so konsequent umsetzen und auch tragen.
Es fällt natürlich immer schwer, wenn man dann draußen sieht, was so passiert und wie sich manche Menschen dann dagegen auflehnen. Und mit dem einen oder anderen auch mal durchkommen. Wenn ich mich da an irgendwelche gefälschten Atteste erinnere für FFP2-Masken zum Beispiel. Das macht natürlich traurig. Es gibt diesen Begriff mütend, der triffts manchmal ganz gut.“
Verständlich, auf jeden Fall kommen wir noch ganz kurz auf Oberstdorf zu sprechen, Sie haben gerade vorher gesagt, dass da auch ein paar Plätze geschaffen werden, aber jeder Platz braucht ja auch Pflegepersonal. Wenn der Platz da ist und das Personal nicht, ist ja irgendwann mal Schluss nehme ich an. Wird dann zum Beispiel Personal aus der Anästhesie oder so mit abgezogen, um da zu helfen, oder sagen Sie momentan, es passt noch alles?
Florian Leier: „Nein, das haben wir tatsächlich schon gemacht. Wir haben ja eben auch schon unser OP-Programm runtergefahren. Es blieb uns nichts anderes übrig und wir bringen auch zum Beispiel schon Anästhesiekräfte anderweitig zum Einsatz. Aufgrund dessen, dass wir OPs geschlossen haben. Und das ist eigentlich auch unser Plan, dass wir immer weiter auch Leistungen für die Bevölkerung reduzieren müssen, um dann das Personal auch wieder freizugeben, weil es eben sehr aufwändig ist, die Corona-Patienten dann auch zu versorgen.
Und das bedeutet natürlich auch, zum Beispiel dann an der Klinik Oberstdorf, dass man auch noch mal Betten schließen muss, um diese als Corona-Betten betreiben zu können.“
Stichwort Triage. Bislang noch ein unbekanntes Wort. Was versteht man denn darunter?
Florian Leier: „Naja, es gibt verschiedene Arten. Also wir machen eine. Eine Triage in der Notaufnahme zum Beispiel. Da ist es täglich Brot. Diese Begrifflichkeit "Triage" bedeutet, wir selektieren dort Patienten.
Wir machen das jetzt aber nicht in diesem Sinne momentan, wie man es sich immer aus Bergamo oder aus diesen Krisengebieten vorstellt, wo wir quasi salopp gesagt über Leben und Tod entscheiden, sondern die Triage wird in der Medizin häufig verwendet. In der Notaufnahme ist es so, dass nach Dringlichkeit und nach Schweregrad die Patienten "triagiert" und dann behandelt werden.
Das ist das, was man einer Notaufnahme in der Öffentlichkeit immer auch gerne mal vorwirft. 'Ich warte schon seit zwei Stunden in der Notaufnahme und dann kommt einer, der ist nach fünf Minuten dran. Das ist ungerecht.' Nein, es ist in der Regel nicht ungerecht, sondern es ist in der Regel medizinisch begründet. Und der Patient, der später kam, hat eine schwerwiegendere Erkrankung und muss vorher behandelt werden.
Das ist das, was wir tatsächlich täglich machen, diese Triage. Das ist ein gutes Tool, das machen tatsächlich auch die Pflegekräfte. Da haben wir keinen Arzt dafür, sondern da gibt es einen Katalog an Bedingungen. Und nach diesem Katalog werden die Patienten dann abgearbeitet. Ich weiß, dass Ihre Frage auf diese Triage zwischen Leben und Tod abzielt.“
Genau, denn Salzburg hat es ja momentan auch schon im Gespräch, ob man das Ganze einführt mit Patienten, weil es da eben schon ein bisschen knapp wird.
Florian Leier: „Also wir sind momentan nicht an dem Punkt. Es ist so, dass das wir einfach nach wie vor immer wieder rudern wenn es schwierig oder sehr sehr schwierig ist, Patienten abverlegen zu können. Wir kriegen es aber immer wieder hin, die Patienten zu verlegen. Wir sind auch mit der Politik in Gesprächen, dass wir auch überregional abfliegen können.
Da gibt es ja dieses Kleeblatt System, von dem haben Sie bestimmt schon mal gehört. Es war leider so, dass Bayern als eigenes Kleeblatt gesehen wurde. Und wenn man sich die Karte anschaut, dann sind wir irgendwie weitestgehend violett und die Kapazitäten in unserem eigenen Bundesland sind weitestgehend ausgeschöpft. Von dem her sind wir gerade dabei mit der Politik zusammen zu verhandeln, dass wir auch Patienten Richtung Norden abfliegen können. Dort ist die Lage ganz anders. Und solange es diese Möglichkeiten gibt, wird es aus meiner Sicht nicht zu so einer Triage-Situation kommen.“
Was kann jeder Einzelne jetzt tun, um das Pflegepersonal in dieser schwierigen Situation zu entlasten?
Florian Leier: „Ich habe letzes Jahr schon mal appelliert und appelliere auch heuer wieder: Denkt an euch selber, denkt an eure Mitmenschen, haltet euch an die Regeln. Jetzt ist es wieder wichtig: Abstand, Hygieneregeln, Händewaschen, Hände desinfizieren wo man kann. Man soll sich aus meiner Sicht kritisch hinterfragen: Muss ich denn auf jeder Party in irgendeiner Diskothek gewesen sein? Auch wenn ich geimpft, genesen und vielleicht auch noch Antigen-getestet bin? Muss es denn sein oder kann ich es mir vielleicht doch noch mal sparen und habe dann einen tollen Sommer und mache jetzt noch mal ein bisschen einen entspannteren Winter?
Das andere ist, einfach nur mal eben in sich zu gehen und zu überlegen: Ist es nicht vielleicht jetzt doch an der Zeit, dass ich mich impfen lassen? Wir sehen ja jetzt auch, es gibt viele, viele Menschen, die gehen jetzt doch noch zum Impfen. Die Impfzentren werden überrannt. Man muss jetzt auch wieder Termine ausmachen, wenn man ins Zentrum will. Das ist gut. Das finde ich ganz klasse, dass viele jetzt doch überlegen.
Nach meiner Ansicht ist es so, dass viele überlegt haben. Der Sommer war gut. Die Politik hat uns signalisiert: Corona neigt sich dem Ende zu. Man hat teilweise auch schon von einem Ablaufdatum gesprochen. Freedom Days wurden geplant. Ich glaube, das waren lauter falsche Signale, da irgendwie doch jeder damit gerechnet hat, dass es im Winter noch mal aufwärts geht mit den Zahlen.
Dass es so dramatisch aufwärts geht, damit hat wahrscheinlich keiner gerechnet. Von dem her sehen wir jetzt, dass die Leute zum Impfen gehen. Die, die vielleicht dachten, es braucht mich gar nicht mehr. Die anderen sind geimpft, wir haben einen guten Prozentsatz, die geimpft sind. Dann muss ich vielleicht nicht gehen. Genau an die Leute, die das überlegt haben, möchte ich noch mal appellieren: Geht doch zum Impfen. Das ist einfach wichtig. Jeder, der jetzt geimpft ist, baut auch schon nach der ersten Impfung einen gewissen Schutz auf und und entlastet damit unser Gesundheitssystem und natürlich auch Freunde und Familie.“
Eine allerletzte Frage noch, der Sommer ist ja noch weit weg und im letzten Jahr waren wir schon im Teil-Lockdown. Mitte Dezember kam dann der Lockdown, da sind die Zahlen ja nicht so weit gestiegen wie jetzt momentan. Also man kann sagen, das hat schon unterm Strich was gebracht, als jeder zu Hause gesessen ist. Was erwarten Sie denn jetzt noch so bis März, April? Auch vielleicht von der Politik? Oder haben Sie da schon sonst irgendwie einen Plan oder eine Hochrechnung? Das Ganze steigt ja doch sehr hoch an, wir waren ja schon über 50.000 Neuinfektionen pro Tag in Deutschland.
Florian Leier: „Na ja, eine wirkliche Idee habe ich keine dazu. Ich glaube, wenn es Maßnahmen gäbe, die wahrscheinlich auch wieder relativ unpopulär sein müssten. Das lesen wir ja gerade wieder von Herrn Drosten und von Herrn Streeck, dass die sich mittlerweile ja auch wieder platzieren und sagen, wahrscheinlich werden wir nicht drumrum kommen.
Die Österreicher machen es uns jetzt momentan vor. Ich glaube, es hatte schon seinen Sinn, diese Lockdowns bei uns. Ganz klar aus meiner Sicht ist, dass es so momentan eigentlich nicht weiter nach oben gehen darf. Das muss ganz klar an die Politik adressiert werden, dass man sich hier auch wieder Gedanken macht. Und deswegen wünsche ich mir, dass wir möglichst bald eine funktionierende Bundesregierung auf die Beine gestellt bekommen und dass wir dann auch wieder produktiv weiterarbeiten können. Ich glaube, es hilft uns allen nichts, wenn wir uns jetzt da irgendwie verstecken, sondern man muss konkrete Maßnahmen von der Politik haben und dann kann man weiter nach vorne schauen und dann kann man wahrscheinlich das Ganze relativ schnell wieder entern.“
Am besten aber auch den gleichen Maßnahmen für ganz Deutschland, nehme ich an, und nicht mehr den Föderalismus hier ausleben oder?
Florian Leier: „Da bin ich dabei. Es braucht einfach konkrete Maßnahmen. Ich möchte es mir jetzt mit dem Tourismus nicht verscherzen, aber wenn man so überlegt, dass in drei Wochen vielleicht dann der Schnee wirklich gut platziert liegt und die Schneekanonen laufen, dann möchte man sich eigentlich nicht so richtig vorstellen, wie der Wintertourismus jetzt bei uns in der Region funktionieren soll, bei dieser Lage, das muss man ganz klar sagen. Also das ist das, was mir momentan nur Bauchschmerzen macht. Aber da gehen wir natürlich in Überlegungen, wie wir da weiterkommen, wie wir beides unter einen Hut bringen würden. Aber ich glaube, da braucht es einfach noch mal irgendwelche Ideen, wie man es machen kann.“
Dann sage ich vielen Dank für Ihre Zeit am heutigen Sonntag Florian Leier.
Geschrieben von: Redaktion