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Wie geht es mit dem Wohnraum im Allgäu weiter? Um diese Frage zu beantworten, hat AllgäuHIT den Geschäftsführer der Sozialbau Herbert Singer eingeladen. Wie viele kostengünstige Wohnungen gibt es in Kempten, welche Projekte sind noch geplant und auf was kann bereits erfolgreich geblickt werden?
Die Sozialbau hat sich als kommunales Wohnungsunternehmen die Schaffung von Wohnraum auf die Fahne geschrieben. Seit 1956 wird dieser Aufgabe nachgegangen, ca. 8500 Wohnungen und Eigenheimen sind seitdem entstanden. Gleichzeitig sind die Mieten laut der IG Bau Allgäu allein in Kempten um 20 Prozent gestiegen. Der Quadratmeter ist 7,40 Euro teuer geworden. Deshalb ist die Aufgabe, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, noch wichtiger geworden. „Wir tun alles, dass Mieten bezahlbar bleiben. Über unseren ganzen Mietbestand hinweg haben wir im Durchschnitt eine Miete von 5,84 Euro pro Quadratmeter“, erklärt Sozialbau Geschäftsführer Herbert Singer. „Damit leben 20 Prozent der Kemptener günstig und ganz sicher bezahlbar in ihrem Zuhause.“ Im Bereich des Neubaus liegen die Mieten teils bei bis zu 12 Euro pro Quadratmeter, also fast das Doppelte müssen Mieter hier zahlen.
Corona hat den Wohnungsmarkt weiter angespannt
Deshalb ist die Warteliste bei der Sozialbau auch lang. „Der größte Teil der rund 2350 Bewerber hat bereits eine Wohnung, aber sie suchen was Besseres, Größeres oder auch Kleineres. Der Bedarf wurde durch Corona noch weiter verschärft.“ Denn die Bedürfnisse haben sich verändert. Viele, die bisher keinen hatten, wünschen sich einen Balkon. „Damit können wir dienen. Rund 90 Prozent unserer Objekte, auch die älteren, haben einen Balkon. Aber die Mieter wünschen sich jetzt ein zusätzliches Zimmer fürs Home-Office.“ Denn dieses „Extra-Zimmer“ wurde im letzten Jahr zu einem unverzichtbaren Teil des Alltages. „Das erzeugt allerdings in doppelter Hinsicht Druck“, sagt Herbert Singer. „Bisher haben wir eine Vier-Zimmer-Wohnung möglichst an eine Familie mit zwei Kindern vermietet. Der Wunsch nach einem Kinderzimmer kollidiert jetzt mit dem Bedarf nach einem Arbeitszimmer. Das ist ein Spagat.“
Bauen könnte günstiger sein
Der Bedarf nach größeren Wohnungen ist also da, das muss auch beim Bauen umgesetzt werden. „Wir würden gerne günstiger bauen und das könnten wir auch. Aber die Bauvorschriften verteuern das Ganze. Aus unserer Sicht ist das unnötig, denn wir könnten 20 Prozent günstiger bauen, aber die Bürokratie lässt es aktuell nicht zu“, so Singer. Ein Blick auf die Entwicklung der Verordnungen erklärt den Grund. 1990 gab es rund 5 Tausend Verordnungen, Gesetze und Rahmenbedingungen zum Bauen. Heute sind es 20 Tausend. Allein die Gutachten, die mehrfach erstellt werden müssen, treiben die Kosten in die Höhe.
Um nicht weitere Grünflächen zu verbauen und die Stadt Kempten nicht nach draußen wachsen zu lassen, werden viele Projekte umgestaltet. Beispiele dafür sind das ehemalige Klinikgelände oder die Prinz-Franz-Kaserne.
Aktuelle Bauprojekte
– Wohnungsbau auf der Funkwiese
Aktuell entstehen dort 183 Miet- und Eigentumswohnungen. 60 sind fertig und bereits bezogen. Andere werden in weiteren Häusern fertiggestellt.
– Wohnungen in der Kemptener Innenstadt im Atrium A2
Westlich vom „großen Loch“ entstehen 23 Mietwohnungen. Sie sollen eine Lücke schließen und die Kemptener Innenstadt aufwerten.
– Wohnquartier auf dem ehemaligen Saurer-Allma Gelände
Eines der größten Projekte der Sozialbau ist die Entwicklung des Wohnquartiers auf dem ehemaligen Saurer-Allma Gelände am Schumacherring, am Engelhaldepark. In den nächsten zehn Jahren sollten dort bis zu 400 Wohneinheiten auf 4 Hektar entstehen. Die gewerbliche Nutzung soll auf dem Areal erhalten bleiben. Es soll außerdem ein Nahversorgungsmarkt kommen, der auch die Ludwigshöhe bedient. „Das ist das Zukunftsprojekt der Stadt“, betont Herbert Singer.
– Abgeschlossen: Holzhaus im Stadtteil Thingers
Auf insgesamt 7 Stockwerken sind 21 Wohneinheiten zu finden. Das Besondere: Es ist ein 21 Meter hohes Gebäude, das komplett aus Holz gebaut wurde. Sieben fertige Geschosse wurden angeliefert, so entstand das Gebäude in nur einigen Monaten. Seit einigen Wochen wohnen die Mieter in ihrem neuen Zuhause, zuvor gab es viele Bewerbungen für diese Objekte.
„Es war eine Energieleistung, unser Knowhow aus dem Mauerwerk in den Holzbau zu transformieren“, erklärt der Sozialbau Geschäftsführer. „Ein großes Danke geht an das ganze Team, gerade an unsere Handwerker, die in Coronazeiten in der ersten Reihe standen. Es war eine Herausforderung, die wir gemeistert und gezeigt haben, dass wir uns vor keiner Aufgabe scheuen.“ Die Innovation ist bereits auch über die Grenzen des Allgäus bekannt geworden, das Telefon der Sozialbau steht nicht mehr still. „Darüber freuen wir uns, aber das war nicht unser Antrieb. Wir sind ein lokaler Player und wollen weiterhin hier vor Ort für eine Linderung des Wohnungsmarktes sorgen.“ Den Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen, ist eine der Hauptaufgaben der Sozialbau. Denn solange die Nachfrage größer als das Angebot ist, werden sich die Mietpreise nicht beruhigen.
Rund 11 Millionen Euro gehen in jährliche Modernisierungen
Aus den über 8500 Wohnungen und Eigenheimen sind 4 Tausend davon Mietwohnungen, die teils vor 30 oder 40 Jahren entstanden sind. Nach einer gewissen Zeit müssen sie modernisiert werden. „Seit 25 Jahren investieren wir jedes Jahr zwischen 8 und heute 11 Millionen Euro in den Wohnungsbestand“, erklärt der Geschäftsführer der Sozialbau. Kernstück der Modernisierung sind die Bäder. Damit die Mietkosten auch danach bezahlbar bleiben, wird die Erhöhung um 1, 1.50 oder 1.80 Euro pro Quadratmeter bei größeren Arbeiten auf 2 oder 3 Dekaden gestreckt. „So kommt die Erhöhung meistens erst nach fünf Jahren beim Mieter an. Das schaffen die Mieter und können sich darauf einstellen.“
Fertige Projekte
Die Sozialbau hat das ehemalige Industriedenkmal "Spinnerei/Weberei" zu Loftwohnungen an der Iller umgebaut. „Die Chance hat mich gelockt“, gesteht Herbert Singer. „Wenn die Sozialbau das nicht gemacht hätte, wäre es womöglich ein Spekulationsobjekt geworden. Das war unsere Motivation dahinter.“ Es sind 46 Wohnungen geworden, die „holländisch“ wie Singer es beschreibt, die kommunikativ zueinander leben. Es wurde außerdem als Kemptener Modell gefördert. Die Mieter zahlen dafür 8,50 Euro pro Quadratmeter. „Das ist für dieses Objekt schon einmalig und deshalb fühlen sich die Menschen dort auch sehr wohl.“ Für die Architektur hat das Projekt bereits mehrere Preise erhalten, unter anderem den Immobilien Award.
Neben Wohnungen war die Sozialbau auch für den Neubau des Luftrettungszentrums Allgäu verantwortlich. Dort, wo der Allgäuer Rettungshubschrauber Christoph 17 Zuhause ist. „Das war ausnahmsweise mal bauen auf grünen Wiesen“, erklärt Herbert Singer. „Denn wir legen normalerweise großen Wert darauf, dass wir innenstädtische Flächen bebauen. Für den Hubschrauber eine Heimat zu realisieren, war für uns eine Selbstverständlichkeit.“
Im Fall von Durach wurde die Sozialbau von der Stadt, dem Klinikum und dem Rettungszweckverband darum gebeten. Neben den funktionalen Voraussetzungen fügt sich das Gebäude optisch mit einer Holzverkleidung in die Landschaft ein. Die Herausforderung war die Vorschriften und Vorgaben, die so ein Gebäude mitbringen, umzusetzen. „Allein die Rettungsflugschneise musste 2×2 Kilometer betragen. Es musste alles für den worst case in Betracht gezogen werden.“ Auch die Unterbringung der Mitarbeiter war ein weiteres Thema, die nach ihrem Einsatz medizinisch „clean“ wieder ankommen müssen.
Geschrieben von: Redaktion