Moderator: Bernd Krause
Sendung: AllgäuHIT am Wochenende
mit Bernd Krause
 
 
Mitglieder der FDP, Dominik Spitzer (rechts)
(Bildquelle: AllgäuHIT I Norbert Kolz)
 
Allgäu
Donnerstag, 30. November 2023

Dr. Dominik Spitzer von der FDP zu Gast im AllgäuHIT SonnTalk

Wahlen sind Ausdruck des Wählerwillens und entscheiden über Sieg und Niederlage. Die Landtagswahl in Bayern hat das im Oktober wieder einmal eindrücklich gezeigt. Jedes Prozent zählt und bestimmt letztlich im Gesamtergebnis die Besetzung des Landtags. Unser Kollege Norbert Kolz hat mit Dr. Dominik Spitzer von der FDP im AllgäuHIT SonnTalk gesprochen. 

 

Interview: Norbert Kolz 

Für die FDP Bayern war die Landtagswahl eine bittere Wahl, denn sie konnte ihr Ergebnis von 5,1% aus dem Jahr 2018 Nicht mehr verteidigen. Ganz im Gegenteil, sie rutschte ab auf 3,0%. Dieses Ergebnis bedeutete dann auch das Aus für die Freiheitlichen, denn die 5% Klausel, die wurde nicht erreicht. Für den Gast des vergangenen SonnTalks war dies dann auch das Ende der politischen Laufbahn. Dr. Dominik Spitzer von der FDP darf nach 5 Jahren im Bayerischen Landtag nicht mehr weitermachen. Nun geht er zurück in seinem Beruf als Allgemeinmediziner. 

Kolz: Herr Dr. Spitzer, Sie schauen so entspannt heute aus, trotz des Ergebnisses der Landtagswahlen. Täuscht das? 

Dr. Spitzer: Das täuscht nicht, aus zweierlei Gründen: Auf der einen Seite habe ich lediglich einen meiner drei Arbeitsplätze abgegeben und habe nun nur noch zwei im medizinischen Bereich. Das heißt, es entspannt mich natürlich, was mein Arbeitspensum anbelangt. Auf der anderen Seite bin ich zwar schon mit einem weinenden Auge raus, aber das andere lächelt schon mittlerweile ein bisschen. Denn das, was politisch in den nächsten 5 Jahren auf Landesebene bevorsteht, wird sicher kein Zuckerschlecken. Bezogen auch auf die Freien Wähler, die nach rechts gerückt sind und die AFD, die gestärkt in den Landtag eingezogen ist. 

Kolz: Und weil es die FDP inzwischen gar nicht mehr gibt. 

Dr. Spitzer: Guter Konter (lacht), aber so ist es nicht. Das denke ich werden die Abgeordneten und vielleicht sogar die Bürger noch bereuen, dass das Kreuzchen an der falschen Stelle gesetzt wurde. 

Kolz: Herr Dr. Dominik Spitzer, Sie sind Jahrgang 1967, in Kempten geboren, Allgemeinmediziner und Politiker der FDP. Sie waren seit 2018 im bayerischen Landtag und haben eine Wahlperiode durchgemacht. Wie ist es Ihnen ergangen, als Sie dann wussten, das war es für die FDP?  

Dr. Spitzer: Also wir haben es eigentlich schon vorher gewusst, denn die Umfragen waren eindeutig. Der Trend war zwei Wochen vor der Wahl ja dann nochmal rückläufig, von 4% auf 3%. Und da war eigentlich klar, dass der Käse gegessen Ist. Unabhängig davon war das endgültige Ergebnis dann doch ernüchternd und wir dann entsprechend schon auch enttäuscht. Aber mit dem Gefühl, sich eigentlich schon auf der Verliererstraße zu befinden, ist es nicht so schlimm zu verlieren. Schlimmer ist es, wenn es komplett überraschend gekommen wäre.  

Kolz: Sie sind Allgemeinmediziner. War es für Sie von Anfang an klar, dass sie in die Politik gehen?  

Dr. Spitzer: Nein, natürlich nicht. Ich bin vor 15 Jahren auf eine Geburtstagsfeier von Stefan Thome, den ich aus Schulzeiten kenne, weil wir gemeinsam Abitur gemacht haben, eingeladen worden. Dort wurde mir Uli Kremser vorgestellt, der Stadtrat in Kempten für die FDP und ein Urgestein der Partei. Die sind damals auf der Suche nach Kandidaten für ihre Liste für die Stadtratswahl gewesen. Da habe ich mich dann aufstellen lassen, weil mir die liberale Sache und die “Denke” der FDP schon sehr nahe waren. Dann bin ich in den Stadtrat gewählt worden und so ging das dann seinen Weg. 

Kolz: Seit 2008 sind Sie Stadtrat in Kempten für die Freien Demokraten und von 2010 bis 2018 waren sie Vorsitzender des FDP Kreisverbandes Kempten. Auch gehörten sie dem Behindertenbeirat der Stadt Kempten an, richtig? 

Dr. Spitzer: Das stimmt, aber dem Behindertenrat gehöre ich tatsächlich bis heute noch an. Das kam so, da ich grundsätzlich an dem Thema interessiert bin. Ich habe auch eine Ehefrau, die in dem Bereich arbeitet als Sonderpädagogin und einen Freundeskreis, der in dem Bereich engagiert ist. Von daher lag es für mich nur nahe, mich auch in dem Bereich einzusetzen. 

Kolz: Kommunalpolitisch wollen Sie weiterhin aktiv bleiben, haben Sie jetzt dafür mehr Zeit?  

Dr. Spitzer: Natürlich habe ich jetzt mehr Zeit. Es ist auch so, dass man die Kommunalpolitik tatsächlich hintenanstellen muss, wenn man im Landtag ist. Und das dann auch nicht mehr so betreiben und auch nicht mehr so vor Ort sein kann natürlich. Man hat dann auch den Bezug nicht mehr so in der Intensität, wie man es gerne hätte.  

Kolz: Was war denn der Grund für Sie, 2015 eine betriebsmedizinische Partnerschaft der Betriebsärzte Allgäu zu gründen?  

Dr. Spitzer: Also da muss man eigentlich ganz zurückgehen ins Jahr 2000, als ich die Praxis hier in der Lindauer Straße übernommen hatte, vom Kollegen Menninger, der leider verstorben war. Die Feuerwehr wurde von ihm betreut und die benötigt Atemschutzuntersuchungen und Taucheruntersuchungen. Diese Untersuchungen gehören in den Bereich der Betriebsmedizin. Ich habe die Feuerwehr dann weiter betreut und brauchte praktisch die Betriebsmedizin, um das auch weitermachen zu können. Und so hat sich das eigentlich damals schon auf den Weg gegeben, da gab es dann auch so Nettigkeiten mit der Landesärztekammer noch. Aber das hat letztendlich dazu geführt, dass ich mit meinem Kollegen Dietz die Betriebsmedizin auf den Weg gebracht habe. Wir haben dieses Riesenpotenzial in der Betriebsmedizin erkannt und haben dann 2015 diese Partnerschaft gegründet, um die Synergismen zu heben und gemeinsam in dem Bereich zu arbeiten.  

Kolz: Sie haben ein Stichwort gegeben, die Landesärztekammer. Da war so ein unbestimmter Gesichtsausdruck bei ihnen zu sehen. Ist sie Fluch und Segen zugleich? 

Dr. Spitzer: Ja, das stimmt. Die Landesärztekammer hat natürlich die Hoheit, was die Weiterbildung, also die Ausbildung zu Fachärzten oder Zusatzbezeichnungen anbelangt. Sie legt auch die Regularien fest und das war damals mit der betriebsmedizinischen Zusatzbezeichnung so, dass es eine autodidaktische Variante gab, das konnte man sich also selbst beibringen, ohne Weiterbilder. Nach deren Auflagen war es so, dass ich zu wenig unterschiedliche Betriebe vorgewiesen habe. Ich sah das anders und dann habe ich zuerst einmal 3 Jahre hingeschmissen, sozusagen in dieser Weiterbildung, weil ich einfach genervt war. 

Kolz: Mit welchen Konsequenzen? 

Dr. Spitzer: Ich durfte in dieser Zeit die Feuerwehr Kempten nicht mehr betreuen und die Atemschutz-Untersuchungen durchführen. 

Kolz: Nach 3 Jahren hat sich das geändert, oder? 

Dr. Spitzer: Ja, es hat sich insofern geändert, dass Kollege Dietz, damals auch Allgemeinmediziner und Betriebsarzt, und ich uns getroffen haben und er mir ein Angebot gemacht hat. Er fragte, wie es denn wäre, wenn er mein Weiterbilder werde, und damit waren die Hürden überwunden. 

Kolz: Haben Sie während den 5 Jahren im bayerischen Landtag auch noch in Ihrer Praxis gearbeitet? 

Dr. Spitzer: Ja, ich habe in der Zeit als Arzt weitergearbeitet, das ist dann insgesamt im Stundenumfang schon sehr viel gewesen. Ich hatte jetzt auch zum Beispiel in den letzten 5 Jahren insgesamt 2 Wochen Urlaub. Ich habe mir das selber ausgesucht und bin ja selbst verantwortlich dafür gewesen, hätte es ja auch anders machen können. Aber es war schon sehr viel. 

Kolz: Hatte dieser Arbeitsumfang auch Auswirkungen auf ihr Privatleben? 

Dr. Spitzer: Ich würde sagen, dass die Familie mit am meisten darunter gelitten hat, weil die natürlich auf viel verzichten musste. Ich hätte es auch, wenn wir wieder in die in den Landtag eingezogen wären, in der Form nicht mehr weitergemacht. Also das kann man mal 5 Jahre machen und dann ist aber auch gut. Denn sonst geht man selbst, die Ehe und vieles andere auch kaputt, was man nicht aufs Spiel setzen möchte.  

Kolz: Ist es als Politiker auch so, dass man auch im Privatleben auch mal dafür “geradestehen” muss, was im Landtag nicht so richtig gut läuft? 

Dr. Spitzer: Da die Regierungsparteien die Anträge grundsätzlich ablehnen, können wir als FDP in München eigentlich gar nicht wirklich viel machen, auch nichts Schlechtes. Denn diese Initiativen werden immer abgelehnt und laufen ins Leere. Von daher könnte man mir da gar keinen Vorwurf machen, schlechte Entscheidungen getroffen zu haben. 

Kolz: Sind sie denn ins Leere gelaufen, weil sie von der FDP kamen und später, nach Wochen, Monaten kam das gleiche Thema dann eben von der CSU? 

Dr. Spitzer: Genau, das sind die üblichen Erfahrungen, die man macht, wenn man gute Anträge im Landtag stellt. Da gab es einige von uns, die dann auch tatsächlich umgesetzt wurden oder wieder aufgegriffen wurden und ein bisschen stolz bin ich da schon auch drauf. Wir hatten ganz zum Schluss mit der CSU gemeinsam ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass die Kindersicherheit noch mal ein ganzes Stück verbessert. Da ging es um Gewalt gegen Kinder, auch sexuelle Gewalt und da wurde ein Gesetz geändert in Bayern, das längst überfällig war. Den Ärzten war es nämlich bis dato verboten, sich auszutauschen aufgrund der Schweigepflicht, wenn die Erziehungsberechtigten dem nicht zugestimmt haben. Erziehungsberechtigte können natürlich aber auch mal Täter sein in Einzelfällen und von daher ist diese Hürde gesenkt worden. Jetzt können sich Ärzte untereinander austauschen durch diese Gesetzesänderung, auf der die FDP auch mit draufgestanden hat.  

Kolz: Sie haben vorhin gesagt, dass der Weg vom Allgemeinmediziner in die Politik schon sehr stark geprägt war von FDP als politische Heimat. War das so klar? Für sie gab es da keine Alternative? 

Dr. Spitzer: Also ein bisschen Pragmatismus ist schon dabei gewesen bei mir, und zwar aus folgendem Grund: Ich wurde ja in den Stadtrat gewählt und dann war es für mich nur konsequent, bei dieser Partei auch Mitglied zu werden. Also ich war auf der Liste, als ein normaler Bürger, das ja möglich und diesen Weg gehen ja auch viele.  

Kolz: Man hat sie ja aber auch fragen müssen, ob sie auf die Liste wollen. Was wäre gewesen, wenn die CSU gefragt hätte? 

Dr. Spitzer: Also wenn das in einer charmanten Form und auf eine für mich überzeugenden Art und Weise geschehen wäre, wer weiß, was aus mir geworden wäre. Es gab und gibt ja auch nicht umsonst Koalitionen mit CDU/CSU und FDP, weil die “Denke” ja schon sehr nah beieinander ist. Natürlich, ein paar Themen würde ich auch bei der CSU nicht wollen, aber wir haben auch im Landtag hervorragend mit der CSU zusammengearbeitet.  

Kolz: Haben sie auch als Mediziner die FDP gewählt, weil die FDP ganz einfach eine Klientelpartei ist? 

Dr. Spitzer: Na ja, da müssen Sie mal in die Ärzteschaft reinhören, dem ist nämlich gar nicht so. Das war vielleicht einmal früher so, wo dieser Vorwurf nur berechtigt war, dass die die Partei als Partei der Besserverdiener, als Klientelpartei bezeichnet wurde. Aber gerade dieses Klientel hat sich in großer Menge von der FDP abgewandt, weil die Partei genau diese Themen, die von dieser Gruppe gefordert wurden, nicht bedient hat. 

Kolz: Wer hat dann 2018 die 5,1% FDP gewählt? Welche Leute waren das? 

Dr. Spitzer: Sie werden es nicht glauben, aber es waren tatsächlich im großen Stil Arbeiter. Gerade die Themen “Leistung muss sich lohnen” und “Eigenverantwortung”, kommen in der breiten Masse auch gut an. Außerdem waren wir, zusammen mit den Grünen, die Partei, die damals am besten bei jungen Leuten angekommen ist. Das ist leider jetzt aber nicht mehr so.  

Kolz: Wenn wir uns das politische Spektrum der FDP anschauen und sagen, ganz einfach, da gibt es einen Bereich Links, in der Mitte und Rechts: Wo sind sie da zu Hause? 

Dr. Spitzer: Also ich würde mich, genau wie die Partei selbst, in der Mitte verorten.  Ich habe konservative Themen, ich habe aber auch soziale Themen, mit diesen bin ich dann auch tendenziell links verordnet. Aber in der Masse bin ich denke ich schon in der Mitte zu finden.  

Kolz: Gibt es die von mir genannten Ränder links oder rechts in der FDP möglicherweise gar nicht? 

Dr. Spitzer: Die gibt es natürlich auch. Der Linke Rand ist vor allem bei den Nachwuchsorganisationen, den Julis, zu finden. Die sind ja auch nicht weit von den Grünen weg, in der “Denke”. Dann gibt es natürlich aber auch einen Schwung, der sehr nahe zum Beispiel an der an der CSU verortet und sehr konservativ denkend ist. Dann gibt es aber auch natürlich die Masse - die ist tatsächlich in der Mitte verortet. Die tragen einfach diese liberalen Werte, die Freiheit, federführend vor sich her.  

Kolz: Wie definiert sich denn diese Mitte in der FDP zum Thema Sozialpolitik?  

Dr. Spitzer: Ich denke, man kann die aktuelle Situation in der Ampelregierung natürlich nicht als Maßstab für die grundsätzliche Ausrichtung der FDP nehmen, weil sie im Koalitionsvertrag natürlich Kröten schlucken müssen, als kleinster Koalitionspartner natürlich auch vielleicht die größeren Kröten schlucken müssen.  

Kolz: Was war davon die schlimmste “Kröte”? 

Dr. Spitzer: Also das Bürgergeld ist so in der Ausrichtung sicherlich keine gute Sache. Denn zum einen muss sich Leistung lohnen. Und wir müssen Anreize setzen für diejenigen, die nicht in Arbeit sind. So wie es ist entsteht eine Neiddiskussion daraus. Es gibt einen sozialen Unfrieden und da müssen wir besser damit umgehen. Das ist halt schon der Bereich, wo ich deutlich weg von Links rücke. Das Elterngeld ist eine ähnliche Sache. Wir müssen das Geld mehr in die schulische Bildung und in die Ausbildung setzen, damit jeder gleiche Chancen hat, zum Beispiel Arzt werden zu können. Damit der spätere Erfolg nicht vom Elternhaus abhängt, weil es halt nicht garantiert ist, dass das Geld für die Bildung und vor allem für das Kind eingesetzt wird.  

Kolz: Zum Stichwort “Leistung muss sich wieder lohnen”: Sie denken, dass weniger Bürgergeld einen Anreiz schaffen könnte, für mehr Geld arbeiten zu gehen. Man könnte ja aber auch in die andere Richtung gehen und sagen, dass das Bürgergeld in der Höhe jetzt OK ist, der Mindestlohn stattdessen aber auch noch mehr erhöht wird. Dann hätte man doch auch diesen Abstand? 

Dr. Spitzer: Also wir haben hier halt ein Verfassungsgericht, das ganz klar geurteilt hat, dass das Bürgergeld entsprechend erhöht werden muss. Und dem muss natürlich auch die Politik folgen. Und das führt natürlich zu weiteren Verwerfungen: Das heißt, ab dem nächsten Jahr wird es noch mal, ich sage mal, attraktiver, nicht zu arbeiten. Lassen Sie mich mal ein Beispiel machen. Ich habe gestern einen Patienten in der Praxis gehabt, natürlich bekommt er die Wohnung bezahlt. Natürlich bekommt er die Heizung bezahlt, Strom, Wasser und solche Sachen muss er selbst zahlen. Dem bleiben sage und schreibe 100 bis 150€ pro Monat zum Leben. Da frage ich Sie, ist das ausreichend oder soll man das Bürgergeld doch entsprechend anpassen. Also so den luxuriösen Lebensstil hat man ja trotz allem nicht. Das heißt wir müssen dann aus meiner Sicht, wenn das als Maßstab gilt, die Löhne entsprechend erhöhen, um dann auch hier einfach einen Abstand zur Höhe des Bürgergelds zu erreichen. Dann wird es auch wieder interessant.  

Kolz: Jetzt behaupte ich aber mit der Nähe der Wirtschaftsoberen zur FDP, dass diese mit Sicherheit eben nicht wollen, dass Löhne erhöht werden, gerade jetzt in dieser Situation. Würde das funktionieren, würden die das Schlucken, wenn die FDP plötzlich sagt, zahlt mal ein bisschen mehr? 

Dr. Spitzer: Es müsste ja nicht mal um mehr Lohn gehen, man könnte ja genauso gut Steuern senken für den Arbeitnehmer. Es gibt ja unterschiedliche Hebel, wo man ansetzen könnte. Aber wir müssen grundsätzlich die Rahmenbedingungen anders auf den Weg bringen. Das sind wir dann tatsächlich bei den bei inflationären Themen, also Inflationskosten. Dann haben wir natürlich auch Energiekosten. Wenn ich mir den Strompreis anschaue, das ist natürlich unter anderem gewissen Krisen geschuldet, aber auch der Politik. Da ist einiges im Argen, was man überlappend angehen muss. 

Kolz: Überlappend, das heißt also, dass man mit den anderen Parteien, mit denen man einen Bereich abdeckt, Kompromisse eingehen muss. Aber findet sich gerade bei diesen Feldern, die sich überlappen, ein Konsens? Das ist ja genau das Problem momentan, denke ich, gerade wenn wir uns Berlin anschauen. Das klappt ja nicht, da ist zu wenig Kompromissbereitschaft. 

Dr. Spitzer: Ja gut, die Kompromissbereitschaft ist das eine, auf der anderen Seite haben wir halt ideologisch komplett unterschiedliche Ansätze. Also wir sind halt deutlich weiter von den Grünen weg, wie jetzt zum Beispiel von einer CSU.  

Kolz: Dieses Spektrum, wenn man das jetzt mal als eine Achse sieht: Ist die vielleicht, wenn man die gesamten Felder abdeckt, bei SPD und den Grünen relativ stark nach links und rechts zur CDU/CSU engt es sich immer mehr ein und am engsten ist dieser Bereich dann bei der FDP. Kann man das so sagen? Decken sie zu wenig ab?  

Dr. Spitzer: Also ich glaube nicht, dass wir zu wenig abdecken. Wir haben halt aufgrund des Ansatzes “weniger Staat” die Eigenverantwortung im Fokus. Der Bürger muss halt auch selbst aktiv werden, das machen ja die Linken komplett anders. Und die konservativen Parteien bedienen dann wiederum auch das Mehr an Staat. Letztendlich haben wir da schon eigentlich ein Alleinstellungsmerkmal, das uns in der Mitte attraktiv machen sollte.  

Kolz: Wie groß war denn der Gestaltungsspielraum, den Sie in ihrer Amtszeit ab 2018 hatten, vor allen Dingen dahingehend, die Koalition zwischen CSU und Freien Wählern auch richtig beeinflussen zu können? 

Dr. Spitzer: In dem Zusammenhang möchte ich etwas anmerken, einfach damit das draußen mal gehört wird. Ich habe mit einem CSU’ler gesprochen, dessen Namen ich aus nachfolgenden Gründen nicht nennen möchte. Der hat mir nämlich gesagt, dass es damals der richtige Weg gewesen wäre, wenn Söder mit FDP und SPD die Koalition eingegangen wäre und nicht mit den Freien Wählern. Dann hätte er jetzt dieses Debakel, welches er an der Backe hat, nicht erleben müssen. 

Kolz: Von welchem Debakel sprechen Sie da jetzt, die Flugblatt-Affäre? 

Dr. Spitzer: Schon, aber nicht nur. Die Flugblattaffäre ist ja da nur ein Nebenschauplatz gewesen. Also ich meine eher, wenn man zum Beispiel die Rede in Erding ansieht, diese ganzen populistischen Äußerungen, die auch kein Ende finden. Söder hat sich jemand in die Regierung geholt, der ihm sehr unbequem ist und der für ihn auch gefährlich wird, mehr und mehr. Das war aus taktischen Gründen sicherlich ein Fehler, man hätte auch viel kostengünstiger jetzt, wenn man auf die Ministerposten anspielt, eine SPD und eine FDP einkaufen können und dann deutlich gestärkt aus dieser Periode hervorgehen können. Der Kollege von der CSU hat damals gemeint, dass sie damit sicherlich mit über 40% wieder eingezogen wären, weil die Freien Wähler nicht so zugelegt hätten.  

Kolz: Dieses Debakel mit den Freien Wählern, welches es nicht gäbe, hätte Söder einen anderen Weg gewählt -  hat dieses Debakel unter Umständen aber auch Olaf Scholz von der SPD, weil er sich mit der FDP in Berlin eingelassen hat?  

Dr. Spitzer: Das glaube ich nicht, er hat wahrscheinlich jedes Debakel, weil er sich mit den Grünen eingelassen hat. Man sieht es ja immer wieder an den Themen, wo Olaf Scholz sogar gegen die eigene Fraktion FDP Linie hält. Also ich denke, der Kollege Scholz ist der FDP deutlich näher als den Grünen. 

Kolz: Das glauben sie wirklich?  

Dr. Spitzer: Das glaube ich. Weil er auch erkannt hat, dass der Weg, den die Grünen einschlagen, zum einen nicht finanzierbar, zum anderen nicht umsetzbar ist und vor allem gegen die Bevölkerung laufen würde. Und sobald unliebsame Entscheidungen getroffen werden, die dann noch an den Geldbeutel gehen, da entscheidet sich der ein oder andere doch gegen einen Klimaschutz, gegen eine ökologische Denke und wählt dann doch anders - und vielleicht sogar Protest. 

Kolz: Und Christian Lindner sagt ganz klar, was nicht finanzierbar ist? 

Dr. Spitzer: Darüber kann man natürlich vortrefflich streiten, wenn die Länder in Europa weiter Schulden machen, auch die Verschuldungsquoten deutlich über dem deutschen Niveau liegen. Es ist natürlich schon eine verantwortungsvolle Art, mit Geld umzugehen, wie sie Lindner macht. Aber die Frage stellt sich halt tatsächlich, ob der ein oder andere Euro aus dem Bundesfinanzministerium nicht vielleicht doch gut investiert wäre, um die Wirtschaft auch weiter am Laufen zu halten.  

Kolz: Robert Habeck hat aktuell gefordert, dass die Null-Verschuldungspolitik von Herrn Lindner hinterfragt werden müsste. Er ist wohl mehr dafür, dass man, gerade um die Wirtschaft anzukurbeln, wieder mehr Geld dann aufnehmen sollte. Wie ist da Ihre Position? 

Dr. Spitzer: Habeck ist für mich kein Maß, er soll besser in seinem eigenen Ministerium aufräumen. Denn wenn man zwar Wärmepumpen überall fordert, diese aber in der eigenen Parteizentrale nicht eingebaut bekommt, dann hat er bei mir hier die Glaubwürdigkeit verloren.  

Kolz: Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen. Kommen wir zu der Verschuldungspolitik, die man gerade im Bund macht und zu ihrem Parteikollegen Christian Lindner. Welche Position haben Sie da? 

Dr. Spitzer: Also grundsätzlich ist die Marschrichtung richtig. Es ist ja Verantwortungs-Politik für zukünftige Generationen. Wir können ja den nachfolgenden Menschen und den Kindern von heute nicht die Schulden von uns aufbürden, sondern müssen verantwortungsvoll damit umgehen. Es gibt ja das Investitionspaket, das auf den Weg gebracht wurde. Das Wachstumschancen-Gesetz ist ja auch ein Thema, wo Geld investiert wird. Man holt sich jetzt zum Beispiel auch einen Chipproduzenten nach Deutschland. Die einen sagen, die 10 Milliarden, die da ausgegeben werden, die hätte man gerne woanders einsetzen können. Aber wir müssen doch diese Zukunftstechnologien auch in Deutschland halten. Ein kurzes Beispiel: Wir waren mal die Apotheke der Welt, aus dem medizinischen Bereich gesprochen. Aber jetzt kaufen wir unsere Medikamente in Indien und China ein und sind so abhängig von diesen Märkten. Das heißt, wir müssen in Deutschland und Europa auch schauen, dass wir selbst produzieren, dass wir auch selbst Prozenten und vor allem auch die Vordenker werden. Wir waren das früher auch in vielen Bereichen, wir müssen es auch zukünftig bleiben. Da sehe ich die Chance in den Erneuerbaren, dass wir da Vorreiter sind und der Welt zeigen, dass wir es schaffen mit erneuerbaren Energien.  

Kolz: Waren diese Unternehmen aber auch nicht selbst dran schuld in den letzten Jahren, dass es dazu gekommen ist? Gerade in der Medizin, wo wir nur noch ganz wenige Länder haben, wie zum Beispiel Indien oder Taiwan, die Fiebersäfte für Kinder produzieren? Aufgrund von Kosteneinsparungen hat man diesen Weg gewählt, anstatt im eigenen Land zu bleiben und zu produzieren. 

Dr. Spitzer: Da muss ich ihnen widersprechen. Ich denke, diese “Geiz ist geil”-Mentalität ist verantwortlich dafür, die Politik und die Krankenkassen, die versucht haben, die Kosten im Medikamentenbereich so niedrig wie möglich zu halten. Das heißt, wir haben rabattierte Medikamente verordnen müssen, Anfang der 2000er, so 2005 bis 2010 sind die Generics gekommen. Wir durften nur noch Generikas mit wenigen Ausnahmen verschreiben. Dann kamen die rabattierten Medikamente, die verschrieben, immer wurde es billiger und billiger.  

Kolz: Und wer ist dann letztlich daran schuld?  

Dr. Spitzer: Der Kostendruck im Gesundheitssystem.  

Kolz: Dem hätte die Politik aber widerstehen können. 

Dr. Spitzer: Natürlich, man hätte halt die Beiträge der Krankenversicherten hochnehmen müssen. Das wollte man nicht und quersubventionieren mit Steuergeldern wollte man auch nicht. Das heißt, man hat schauen müssen, wo man die Medikamente möglichst günstig herbekommt, und dann ist man halt in diese Länder gegangen, die da gerne dazu bereit waren und diese Preise auch mitgegangen sind. Damit hat man sich die eigene Pharmabranche mit wenigen Ausnahmen kaputtgespart. 

Kolz: Eine schnelle Änderung dieser Problematik ist aber nicht in Aussicht – ich habe aktuell gelesen, dass es knapp 10 Jahre dauern würde, die Produktion wieder zurückzuholen. 

Dr. Spitzer: Ja natürlich ist das keine schnelle Sache, die man mal eben so auf den Weg bringt. Die französische Regierung geht jetzt den Weg, dass sie zum Beispiel ein Werk für Paracetamol im eigenen Land bauen lässt. Ich denke nicht, dass dieser Weg erfolgreich sein wird, sondern lediglich eine Notlösung ist. Die Situation ist aber sehr angespannt, es vergeht ja kein Tag, wo ich nicht mit der Apotheke telefoniere und wir irgendeinen Ausweg suchen, um die Versorgung für die Patienten aufrechtzuerhalten. Deshalb haben wir natürlich auch Anträge gestellt, selbst die CSU hat Anträge gestellt. Auf Bundesebene wird daran gearbeitet, aber sie haben völlig recht, das ist kein Thema, das man von heute auf morgen wieder rückabwickeln kann - vor allem, ohne entsprechend Geld in dieses System zu geben. 

Kolz: Was waren die 5 Jahre im Landtag für Sie: mehr Spaß, mehr Anstrengung, mehr Fluchen, wohlfühlen, verzweifeln? 

Dr. Spitzer: Weder verzweifeln noch fluchen, weil wir eigentlich gewusst haben, auf was wir uns einlassen. Es ist ein Spiel, das man nicht gewinnen kann. Aber ein Taktieren, das dann doch erfolgreich sein kann. Also nach außen werden wir keine Anträge und Gesetze im Landtag beschließen können, wenn wir Initiativen starten. Aber wir können natürlich mit den Medien unsere Themen platzieren, interessante Themen werden natürlich dann auch aufgegriffen. Der Bürger muss erreicht und vor allem informiert sein. Es ist leider im Landtag ein Problem, dass die Außenwirkung praktisch fehlt. Wir leben von der Bundespolitik, und das war ja auch das Thema für uns, was uns diese Probleme bereitet hat. Denn jeder hat von der Bundespolitik Kenntnis, die Landespolitik ist aber, genauso wie die Landespolitiker, praktisch nicht bekannt.  

Kolz: Leider ist die FDP nun auch in der Landespolitik nicht mehr vertreten. Ich sage leider an dieser Stelle, denn je mehr Vielfalt im Landtag, umso besser ist es für uns alle. Vielen Dank an Sie für das Gespräch, Herr Dr. Dominik Spitzer. 


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