"Verfassungswidrig und undemokratisch": Herrmann kritisiert Reform
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat die heute vom Bundestag beschlossene Wahlrechtsreform als verfassungswidrig und undemokratisch kritisiert. Die Reform missachte den Wählerwillen und stelle eine Ungleichbehandlung bei Direktkandidaten dar.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der für Wahlrecht und Verfassungsrecht in Bayern zuständig ist, hat die heute vom Bundestag beschlossene Wahlrechtsreform als "klar verfassungswidrig" bezeichnet. "Eine Klage gegen das neue Bundeswahlrecht vor dem Bundesverfassungsgericht ist nach Inkrafttreten unausweichlich", betonte Herrmann. "Die Regierungsfraktionen im Bundestag zeigen ein erschreckendes Demokratieverständnis und missachten den Wählerwillen", kritisierte Herrmann.
Die Wahlrechtsänderungen würden die wichtige regionale Verwurzelung untergraben und zeigten keinen Respekt vor dem Engagement und der Überzeugungskraft erfolgreicher Direktkandidaten in den Wahlkreisen. "Vor allem aber beschädigen sie damit grundlegend das Vertrauen und die Akzeptanz von Bundestagswahlen", ist Herrmann überzeugt.
Ein Hauptkritikpunkt Herrmanns ist, dass Bewerber, die in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen erreichen, nicht in den Bundestag einziehen, wenn das nicht durch das Zweitstimmenergebnis der betreffenden Partei gedeckt ist. "Das ist eine eklatante Entwertung der Erststimme und aus unserer Sicht verfassungsrechtlich nicht zulässig." Herrmann sieht hier auch eine massive Ungleichbehandlung: "Bei unabhängigen Wahlkreisbewerbern bleibt es dabei, dass die Zuteilung eines Wahlkreismandats nicht an die Zweitstimmendeckung gebunden ist. Das ist nicht nur unlogisch, sondern auch ein grober Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz." Zudem werde es durch das neue Bundeswahlrecht für Wähler unkalkulierbar, ob die Stimmen für Direktkandidaten trotz gewonnenem Wahlkreis völlig unter den Tisch fallen.
Der Minister befürchtet eine zunehmende Politikverdrossenheit gerade in den Wahlkreisen, bei denen Direktkandidaten mit einer Mehrheit dann keinen Sitz im Bundestag erhalten können, weil eine Deckung mit dem Zweitstimmenergebnis der Partei nicht gegeben ist. "Verwaiste Wahlkreise ohne einen örtlich verankerten Bundestagsabgeordneten wären die Folge", warnte Herrmann. Mit dem Wegfall der Grundmandatsklausel werde das Problem verwaister Wahlkreise noch deutlich verschärft. Eine Partei, die bundesweit die Fünf-Prozent-Klausel nicht überschreitet, würde selbst dann nicht in den Bundestag einziehen, wenn sie alle Wahlkreise in einem Bundesland gewinnt. "Dies widerspricht eklatant einer föderal ausgewogenen Vertretung im Bundestag", stellte Herrmann fest. "Dadurch fehlt den Bürgern ihr örtlicher Ansprechpartner im Bundestag, der sich für ihre Sorgen und Nöte einsetzt, ein Unding", erklärte Herrmann.
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