Milchdialog: Weitere Warnung an Verarbeitungsbetriebe
Aktuell führen Bäuerinnen und Bauern unterschiedlicher Organisationen und Verbände gemeinsam Gespräche mit den Vertretern der großen Lebensmittelketten und stellen fest, dass auf Seite des Handels offenbar mehr Bereitschaft besteht, die existenzbedrohliche Situation der Landwirtschaft ernst zu nehmen und den landwirtschaftlichen Betrieben entgegenzukommen als dies auf Verarbeiterseite der Fall zu sein scheint.
„Wir erwarten von unseren Verarbeitungsunternehmen, dass sie sofort die zumindest in Teilen beim Handel vorhandene Bereitschaft, die Kontrakte befristet noch einmal zu öffnen, proaktiv aufnehmen“, fordern die Teilnehmer des Milchdialogs. „Es ist jetzt Überzeugungsarbeit auch bei anderen Handelsunternehmen zu leisten, dass dies der beste, weil marktwirtschaftlichste Weg ist, um kurzfristig die geforderten höheren Preise und damit mehr Wertschöpfung auf die landwirtschaftlichen Betriebe zu bringen. Höhere Preise für Fleisch, Milch und andere Produkte umzusetzen, ist der schnellste, effektivste und direkteste Weg, den Erzeugerbetrieben die dringend benötigte Liquidität zu verschaffen und daher allen Lösungen über Fonds und Bonusprogrammen vorzuziehen. Auf der Seite unserer Verarbeiter erleben wir aber statt einer aktiven Mitarbeit nur Schweigen und Abwarten.“
„Das ist nicht akzeptabel. Wir nehmen unsere Verarbeitungsunternehmen weiter in die Verantwortung“, erklären die Teilnehmer des Milchdialogs. „Die aktuellen Aktionen und Gespräche beim Lebensmitteleinzelhandel bedeuten nicht, dass sich unsere Verarbeiter gemütlich zurücklehnen und einfach nur zuschauen können. Die Bäuerinnen und Bauern, die derzeit enormen Druck beim Handel aufgebaut haben, haben bisher den Job gemacht, den eigentlich die Verarbeiter zu machen hätten.“
„Wir werden dieses Nichtstun nicht akzeptieren. Bis zum 10. Januar werden wir weitere Aktionen bei Verarbeitern wegen des Lockdowns zunächst aussetzen, wir kommen aber wieder und erwarten, dass unsere Verarbeiter die Zeit bis dahin in Verhandlungen mit dem Handel effektiv nutzen“, stellen die Milchdialog-Teilnehmer klar.
„Wir fordern auch die Politik auf, genau hinzuschauen, wer sich in dieser prekären wirtschaftlichen Situation für die Erzeugerinnen und Erzeuger bewegt und wer sich überhaupt nicht bewegt, und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Die katastrophale Marktstellung der Erzeugerebene gegenüber der Verarbeitungsindustrie lässt zu, dass alle Markt- und Preisrisiken unmittelbar auf die Erzeuger abgewälzt werden. Wer sich in einer für die Bäuerinnen und Bauern existenziell so bedrohlichen Lage nicht bewegt, bewegt sich mittel- und längerfristig erst recht nicht auf freiwilliger Basis auf Branchenebene.“
„Um mittel- und längerfristig den landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftlich nachhaltige Perspektive zu ermöglichen, braucht es politische Unterstützung dafür, die Marktstellung der Erzeuger innerhalb der Wertschöpfungskette zu verbessern - weit über eine UTP-Richtlinie hinaus. Die nationalen, europäischen und globalen Märkte müssen auf politisch wie marktwirtschaftlicher Ebene so gestaltet werden, dass eine vielfältig strukturierte und resiliente Landwirtschaft weiterexistieren und die großen Herausforderungen der Zukunft meistern kann“, fordern die Teilnehmer des Milchdialogs auch mit Blick auf die Politik.
Die am Milchdialog teilnehmenden Verbände/Organisationen sehen im Lebensmitteleinzelhandel weiterhin einen möglichen Partner für ein gemeinsame Reformierung der Marktrahmenbedingungen. Die Ausrichtung der aktuellen Agrar(markt)politik und auch die europäische Handelspolitik haben maßgeblich dafür gesorgt, dass aus Lebensmitteln nur noch billige Rohstoffe wurden, die Handel und Verarbeiter nutzen, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Diese fatale Ausrichtung der Agrarmarktpolitik auf Niedrigpreise setzt die Landwirtschaft nicht nur hier, sondern weltweit massiv unter Druck und hat negative Folgen auch für Mensch, Tier, Umwelt und Klima.
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