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Panorama

Die Eibe – eine alte Baumart mit Zukunftsrelevanz

today5. April 2023 51

Hintergrund
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„Wirklich beeindruckend!“ Immer wieder, wenn Boris Mittermeier, der stellvertretende Leiter der Fachstelle Waldnaturschutz in Schwaben, ins Naturschutzgebiet Rohrachschlucht kommt, geht für ihn die Sonne auf. Auch an einem Tag wie heute, bei unangenehmen Temperaturen. Denn das 170 Hektar große Waldgebiet bei Scheidegg zählt mit seiner völlig unverbauten Wildbachschlucht und vielen seltenen Waldgesellschaften zu den wertvollsten Naturschätzen des Landkreises Lindau. Hier fühlt sich ein Baum besonders wohl, den man sonst nur noch selten sieht: Die Eibe. Für die Zukunft der Allgäuer Wälder könnte sie bald eine größere Rolle spielen.

„Der Baum, der bisher nicht dem Forstvermehrungsgutgesetz unterliegt, ist ins Visier der Waldgenetiker geraten“ erzählt der zuständige Revierförster des AELF Kempten, Christian Müller. „Als heimische Baumart spielt die Eibe in der Champions League der rund 50 klimatoleranten Alternativbaumarten“. Sie besteche durch ihre hohe Regenerationsfähigkeit, Schattentoleranz, Frosthärte und Dürreresistenz und sei nicht besonders anfällig für Pilze und Schädlinge. Im Gegensatz zu fremdländischen Klimaalternativen wie der Libanon-Zeder, der Japan-Lärche, der Douglasie oder Scheinzypresse hat die gute alte Eibe einen entscheidenden Vorteil. Sie ist autochthon, also eine echte Allgäuerin. Revierförster Christian Müller scheint die vielen, oft mehrere Hundert Jahre alten Bäume, die unter Naturschutz stehen, besonders ins Herz geschlossen zu haben. Auch und vor allem, weil sie aufgrund ihrer Seltenheit auf der Roten Liste stehen und stark gefährdet sind. Müller nennt die Gründe und holt weit aus: „Den Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erlebten die Eiben im Mittelalter, da ihr äußerst elastisches Holz zur Herstellung von Bögen und Armbrüsten überaus geschätzt war. Damals wurden die Eibenbestände oft übernutzt. Zudem kam es ab dem 17. Jahrhundert zu den ersten großflächigen Aufforstungen mit Nadelholz und die Eibe musste vielfach der Konkurrenz von Fichte oder Kiefer weichen. Auch in dunklen Laubwäldern, die nach Ende des Mittelalters zunehmend von der Buche dominiert wurden, hatte die Eibe nur geringe Chancen. Erschwerend kam hinzu, dass der hochgiftige Baum an den Wegrändern geschlagen wurde, um Pferde und andere Nutztiere zu schützen.

Hier in den trockenen, oftmals lichten Buchenwaldgesellschaften der Rohrachschlucht konnten die Bäume sich aber über hunderte von Jahren behaupten. „Sie sind in einigen Waldparzellen in unglaublicher Dichte zu bestaunen“, freut sich Isolde Miller, die Gebietsbetreuerin des Bunds Naturschutz (BN). Sie sieht aber auch heute Gefahren für die Eiben-Population. Beharrlich scharrt sie mit ihren Händen in der rund 10 Zentimeter hohen Buchenlaubdecke, bis sie einzelne Eiben-Sämlinge findet. Ihre Triebspitzen sind angenagt, der Leittrieb ist verbissen. „Während das Eibengift Taxon Pferde und Menschen sofort tötet, scheint es Reh- und Rotwild wenig anhaben zu können,“ so Miller. Das Wild liebt die Eibentriebe ebenso wie die der Weißtanne. Eine angepasste Bejagung, wie hier in der Rohrachschlucht, ist deswegen für den Erhalt der Eibe enorm wichtig. Der BN, selbst Besitzer von über 10 Hektar in der Rohrachschlucht, hat deshalb eine kleine, wilddicht umzäunte Weiserfläche angelegt, um die Naturverjüngung der Eibe innerhalb und außerhalb des Zau-nes vergleichen zu können.

Auch das Amt für Waldgenetik (AWG) forscht inzwischen in der Rohrachschlucht mit ihrem großen Eiben-Vorkommen. „Ziel ist die Erfassung der Eiben und deren Bewertung nach Qualität und genetischen Strukturen, um letztlich geeignete Erntebestände sowie Gen-Erhaltungsbestände ausweisen zu können,“ berichtet Dr. Muhidin Seho vom AWG, „Die seltenen heimischen Baumarten leisten einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität und soll-ten bei zukünftigen Waldumbaumaßnahmen berücksichtigt werden.“ Revierförster Chris-tian Müller jedenfalls sagt den Eiben eine große Zukunft als Begleitbaumart voraus: „Wir brauchen künftig ein breites Portfolio klimaangepasster Baumarten. Da gehört unsere Eibe auf jeden Fall dazu. Wenn man Eiben pflanzt, bekommt man zudem eine besondere Förde-rung über das Waldförderprogramm.“

Das Naturschutzgebiet Rohrachschlucht

Das Naturschutzgebiet Rohrachschlucht ist ein 170 Hektar großes Waldgebiet bei Schei-degg und zählt zu den wertvollsten Naturschätzen des Landkreises Lindau. Die Rohrach-schlucht, eine voralpine Bachschlucht, ist bereits seit 1992 Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat-Gebiet im europäischen Natura 2000-Netzwerk). Neben cha-rakteristischen FFH-Lebensraumtypen wie alpinen Flüssen, Kalkschutthalden, krautreichen Tannenwäldern oder Kalkbuchenwäldern ist das Gebiet auch Lebensraum für seltene FFH-Arten wie Frauenschuh und Gelbbauchunke. Das Waldgebiet – hauptsächlich Mischwald mit großem Buchenanteil – wurde seit 2008 von Experten kartiert und inventarisiert. Die Ergebnisse wurden zu einem für Behörden verbindlichen Managementplan zusammengefasst. Es geht in erster Linie darum, den Erhaltungszustand nicht zu verschlechtern, sondern so gut zu erhalten, wie er jetzt ist.

Der Freistaat Bayern fördert die Waldbesitzer bei der Umsetzung der FFH-Ziele mit dem Vertragsnaturschutzprogramm Wald. Ein 12jähriger Nutzungsverzicht auf ganzer Fläche wird zum Beispiel mit 1200 bis 2300 Euro pro Hektar gefördert, das Stehen- und Liegenlassen einzelner Bäume als Biotop- oder Totholz mit 90 Euro für Totholz, und wenn der Baum noch lebt (Biotopbaum) mit 125 bis 195 Euro. Der Bund Naturschutz hat 11 Hektar Flächen gekauft und komplett aus der Bewirtschaftung herausgenommen. Diese sind jetzt Naturwaldreservat. „Dieses Mosaik bewirtschafteter und nicht bewirtschafteter Flächen machte erst die Wertigkeit dieses Gebiets aus,“ so der mit der Kartierung beauftragte Förster Boris Mittermeier. Er weist darauf hin, dass im Rahmen der Kartierung der Rohrach-schlucht drei äußerst seltene, totholzbewohnende Käferarten gefunden worden seien, die normalerweise nur in Urwäldern leben (sog. Urwaldreliktarten). Sogar eine für Deutschland komplett neue Art, ein kleiner Rindenkäfer, der Jagd auf Borkenkäfer macht, wurde entdeckt. Auch bei den Pilzen seien sehr viele und auch seltene Arten gefunden worden, die besonders in allen Zersetzungsstufen des Totholzes vorkommen. Das Nebeneinander von naturnah bewirtschafteten und nicht mehr genutzten Flächen macht also Sinn, betonte BN-Gebietsbetreuerin Isolde Miller: „Wir dürfen keine komplette Käseglocke über die Gebiete stülpen, nur so haben wir ein Silbertablett der Biodiversität.“

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Geschrieben von: Redaktion

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